Ich habe lange überlegt, für wen ich diesen Artikel schreiben soll. DSA–Veteranen? Leute, die es nur vom Namen kennen? Letztendlich habe ich mich für beide entschieden und hoffe, dass ich die meisten von euch zufriedenstellen konnte.
Die Spielwelt
Aventurien, der Kontinent, auf dem die meisten Abenteuer spielen, wird in diesem Band nur extrem oberflächlich auf vier Seiten beschrieben. Das ist durchaus so beabsichtigt, denn während hier die Regeln erläutert werden, wird als Quellenbuch bald der Aventurische Almanach erscheinen, der den Kontinent samt seinen Ländern und Völkern beschreibt. Nachfolgend werden dann die einzelnen Regionalbände erscheinen, welche die einzelnen Regionen nochmals genauer beschreiben – über fehlende Detailinformationen können sich DSA–Fans wahrlich nicht beschweren. Für diejenigen, die DSA bis jetzt nur vom Hörensagen kennen, werde ich die Welt kurz beschreiben.
Das Setting ist zunächst sehr klassisch: Hochmittelalter samt Elfen, Zwergen, Orks und so weiter. Was allerdings an Aventurien besonders ist, ist die Vielseitigkeit der Kulturen und Landschaften auf relativ kleinem Raum. Fast jede irdische Kultur hat eine Entsprechung auf Aventurien, was bunt gemischte Gruppen ermöglicht und viel Raum für interessantes Rollenspiel bietet. Die Götter sind real und ihr Wirken ist greifbar, aber auch ihre Widersacher sind mächtig: Böse Götter, Dämonen, Untote, hier ist alles geboten. Magie ist etwas Gewöhnliches, wenn auch nur relativ wenige mit der Gabe geboren werden, sie zu beherrschen. Sie ist sehr vielseitig, dafür sind die Ressourcen, um sie zu wirken, stark beschränkt – in Aventurien wird man keinen Magier sehen, der Feuerbälle im Dutzend um sich wirft. Und das Wichtigste: Ob entführte Damen, böse Paktierer oder verworrene Intrigen, für wahre Helden gibt es immer etwas zu tun.
Die Regeln
Die Kernmechanik der Fertigkeitsproben bleibt auch in der 5. Edition gleich. Jeder Fertigkeit sind drei Eigenschaften wie zum Beispiel Körperkraft, Intuition, Gewandtheit etc. zugeteilt, die jeweils mit einem W20 unterwürfelt werden müssen, während der Fertigkeitswert dazu dient, zu hohe Würfel auszugleichen. Neu ist allerdings, dass eine eventuell vorhandene Erschwernis oder Erleichterung direkt auf die Eigenschaftswerte angerechnet wird – wie ich finde, eine deutliche Vereinfachung zur letzten Edition. Habe ich jetzt also eine Erschwernis von –2 auf einer Fertigkeitsprobe, dann muss ich bei jeder Eigenschaft um 2 Punkte niedriger würfeln als sonst. Des Weiteren gibt es jetzt sogenannte „Qualitätsstufen“ bei Fertigkeitsproben. Pro drei nach der Probe übriggebliebenen Fertigkeitspunkten steigt die Qualitätsstufe der Probe um eins an. Das kann zum Beispiel dazu führen, dass der zwergische Schmied statt einem gewöhnlichen ein außergewöhnlich gutes Schwert schmiedet.
Der Kampf kommt mit nur einem W20 aus. Hierfür wird der Wert in der entsprechenden Kampftechnik, je nach Eigenschaftswerten, modifiziert und in Attacke– und Paradewert unterteilt, welcher dann auch wieder unterwürfelt werden muss.
Eine große Neuerung ist das Zustandssystem, das viele verschiedene Regeln ablöst. So wird das, was bis jetzt Wunden waren, über den Zustand Schmerz geregelt. Wenn der Held eine schwere Rüstung trägt oder viel Zeug mit sich herumschleppt, beeinflusst das den Zustand Belastung. Und wenn man einen ordentlichen Vollrausch hat, dann regeln das die Zustände Betäubung und Verwirrung. Jeder Zustand geht von Stufe 1 bis 4. Auf der vierten Stufe ist der Charakter in den meisten Zuständen handlungsunfähig. Dazu gibt es noch den Status als Zustand, der keine Stufe hat und entweder aktiv ist oder nicht, wie zum Beispiel Blindheit oder Bewusstlosigkeit.
Eine weitere – im Vorfeld kontrovers diskutierte – Neuerung sind die Schicksalspunkte. Durch ihren Einsatz lassen sich beispielsweise nicht geschaffte Proben wiederholen oder besonders gute Ergebnisse erzielen. Sie ermöglichen allerdings nicht eine Einflussnahme auf die Handlung, wie es bei Fate der Fall ist.
Alles in allem ist DSA immer noch ein sehr detailliertes und simulationistisches System, auch wenn es im Vergleich zur vorhergehenden Edition massiv an Sperrigkeit verloren hat. Einsteiger dürften aber kaum Schwierigkeiten haben Zugang zu finden, da die Kernmechaniken in gut 20 Seiten leicht verständlich sind und mit anschaulichen Beispielen erklärt werden. Wer allerdings mit dem Credo „So wenige Regeln wie möglich“ unterwegs ist, wird auch mit der neuen Edition keinen Spaß haben.
Im Kapitel mit der Ausrüstung fielen mir manche Seltsamkeiten auf. Da wäre zum Beispiel der Südweiser, die aventurische Entsprechung eines Kompass, der bislang sündhaft teuer war und plötzlich billiger ist als ein gewöhnliches Brecheisen. Oder das Kletterseil, das auf einmal ein halbes Kilo (!) pro Meter wiegt. Wirklich ärgerlich hingegen ist, dass bei den Behältnissen – zum Beispiel dem Rucksack – das Fassungsvermögen nicht angegeben ist.
Charaktererschaffung
Die Charaktere, bei DSA Helden genannt, werden nach einem Punktekaufsystem erstellt. Man hat zu Beginn einen bestimmten, der gewählten Erfahrungsstufe entsprechenden Pool an Abenteuerpunkten, mit denen man Spezies, Kultur, Profession etc. kauft. Dabei muss man nicht zwingend eine vorgefertigte Profession wählen, sondern kann sich auch nach Lust und Laune den Helden basteln, den man schon immer spielen wollte. Wegen der ausschließlichen Verwendung von Abenteuerpunkten kann man auch bestehende Professionen kinderleicht modifizieren, da man die Kosten jederzeit nachvollziehen kann.
Das Kapitel zur Charaktererschaffung ist sehr übersichtlich in 15 Schritten aufgebaut und sollte für weitestgehend verwirrungsfreien Bastelspaß sorgen. Meine einzige negative Anmerkung zu diesem Abschnitt: Wenn für eine Profession bestimmte Vorteile oder Sonderfertigkeiten zwingend vorgeschrieben sind, kann man sie auch gleich in das Paket integrieren, das verringert wildes Geblätter.
Spielbarkeit aus Spielleitersicht
Was mir am Leiten von DSA schon immer besonders gefallen hat, sind die vielseitigen Möglichkeiten ein Abenteuer zu gestalten. Ob Entdeckungsfahrt im Südmeer, Intrigen im romantisch-abenteuerlichen Belhanka oder Orks verdreschen in Weiden. Die quasi unbegrenzte Anzahl an möglichen Helden und die damit verbundenen Fähigkeiten ermöglichen ein wahres Feuerwerk an abwechslungsreichen Abenteuern. Einzig der fortlaufende Metaplot muss bei manchen Vorhaben beachtet werden – solange man aber keine Landstriche verwüstet oder Herrscher meuchelt dürfte das kein Problem darstellen. Eben diese Relevanz für den Metaplot wird in Zukunft direkt auf dem Buchrücken von Abenteuern angegeben, von 1 wie keinerlei Auswirkung auf die Welt bis 4 wie welterschütterndes Ereignis.
Das Zustandssystem erfordert etwas mehr Mikromanagement vom Spielleiter als bisher, wird aber dadurch erleichtert, dass jeder Zustand nach demselben Schema abläuft. Unter jeder Fertigkeitsbeschreibung steht nun außerdem eine kleine Tabelle, die praktische Vorschläge zu möglichen Erleichterungen und Erschwernissen macht. Definitiv eine Hilfe für den Spielleiter.
Und wenn man doch einmal schnell etwas nachschlagen muss, hilft einem der achtseitige, sehr übersichtliche Index schnell, das Gesuchte zu finden.
Spielbarkeit aus Spielersicht
Die 5. Edition dürfte deutlich angenehmer für die Spieler sein als die vorige. Der mindestens vierseitige Charakterbogen mag zwar ohne Erfahrungen mit dem System etwas abschrecken, dafür sind die Kernregeln aber wirklich einfach und eingängig. Spätestens nach der dritten Runde dürften eigentlich keine Fragen mehr auftauchen.
Durch die Veränderungen im Kampfsystem wurde auch endlich ein Missstand beseitigt, der sehr viele Spieler regelmäßig tödlich langweilte: Kämpfe, die sich über eine Stunde oder mehr hinziehen. Durch die stark gesenkten Werte in Parade und Ausweichen kommen nervtötend lange, beinahe wirkungslose Duelle kaum noch vor. Und sollte es wirklich mal gefährlich für die Helden werden, haben sie ja ihre Schicksalspunkte.
Eine Sache, die für DSA–Neulinge sehr wichtig ist, ist das Einarbeiten in den Hintergrund. Aventurien lebt von seiner atmosphärisch dichten Beschreibung und die Kenntnis von gängigen Begrüßungsformeln, Sprichwörtern, Sitten und wichtigen Personen macht den Kontinent erst so bunt und lebendig, wie er ist.
Preis-/Leistungsverhältnis
Der Preis von 49,95 EUR für die gebundene Ausgabe ist für Bücher dieser Art Standard, wird für mich aber besonders durch die dezente, vollfarbige Gestaltung und die großartigen Illustrationen gerechtfertigt. Für Sparfüchse und Unentschlossene gibt es auch noch die broschierte Version für 19,95 EUR, die schwarz-weiß gehalten ist und auf einen Großteil der Verzierungen und Illustrationen verzichtet.
Erscheinungsbild
DSA 5 Cover Ulisses SpieleNormalerweise halte ich mich mit so deutlichen Aussagen zurück, aber hier kann ich es einfach nicht anders ausdrücken: Ich habe selten ein Buch in Händen gehalten, das so so schön aufgemacht war wie dieses. Die vollfarbige Gestaltung ist dabei die ganze Zeit präsent, aber so subtil, dass sie die Lesbarkeit der Texte nie beeinträchtigt. Die Illustrationen sind immer passend, abwechslungsreich und in einem einheitlichen Stil gehalten. Der Aufbau des Buches ist durchdacht und übersichtlich. Fehler in Rechtschreibung oder Satz sind mir keine aufgefallen.
Über die Qualität des Papiers und der Verarbeitung kann ich leider nichts sagen, da mir lediglich die PDF-Version zur Rezension vorlag.
Bonus/Downloadcontent
Wie mittlerweile üblich, kann man den Charakterbogen auf der Website des Verlages herunterladen. Unüblich ist allerdings, dass dieser in gleich vier Varianten verfügbar ist. Einmal mit schickem Hintergrund und einmal druckerfreundlich ohne denselben. Beide gibt es entweder blanko oder zum Ausfüllen am PC.
Fazit
Das Warten hat sich gelohnt: Die 5. Edition von Das Schwarze Auge macht vieles besser als 4.1. Verschwunden sind die Berge von Sonderregeln, vergangen die Zeiten von „Ich bin mal kurz zwei bis drei Stunden weg, nen Charakter bauen“. Die Kernmechaniken wurden durchdacht überarbeitet, einheitliche Systeme mit breitem Nutzen eingeführt und die Zugänglichkeit für Einsteiger stark verbessert. Die Charaktergenerierung ist immer noch nicht schnell, aber deutlich schneller als bisher und, dank der Verwendung von Abenteuerpunkten, jederzeit nachvollziehbar.
Dabei ist das vorliegende Werk eines der mit Abstand schönsten Rollenspielbücher, die ich je gesehen habe, angefangen vom dezenten und stets übersichtlichen vollfarbigen Aufbau, bis zu den stimmungsvollen und einheitlichen Illustrationen. Die leichten Unstimmigkeiten im Ausrüstungsteil sorgen zwar für Abzüge in der B-Note, ändern aber an der Endwertung nichts: Von Herzen volle Punktzahl!
Wertung: | | [5 von 5 Sternen!] |
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