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Brave Bunnies (A Cute TTRPG Game for Everyone)
Verlag: Highdenn Creations
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 04/26/2021 03:54:00

https://www.teilzeithelden.de/2021/04/26/rezension-brave-bunnies-kaninchen-in-der-grube/

Kaninchen sind nicht unbedingt für ihre Kampfkraft berüchtigt, deshalb können sie aber trotzdem tapfer sein! Brave Bunnies lädt uns ein, die Welt aus den friedlichen Augen eines abenteuerlustigen Haustiers zu betrachten. Es muss nicht immer Gold sein, manchmal kann auch die Jagd nach einem leckeren Snack ein Abenteuer werden.

Schon lange klafft eine große Lücke im Rollenspielsektor, die endlich gefüllt wird: Mit Brave Bunnies bekommen wir das friedliche, minimalistische Kaninchen-Rollenspiel, das uns schon immer gefehlt hat – oder? Zusammen mit zwei erfahrenen Kaninchenbesitzerinnen nehme ich die rote Pille und hüpfe ins Innere dieses Kaninchenlochs, um die Tiefen dieses kleinen Systems zu erforschen!

Die Spielwelt Der einzige Verweis auf die Spielwelt findet sich in wenigen Regelbeispielen, die klarmachen, dass man tatsächlich ganz normale Hauskaninchen in unserer Welt spielt, die kleine Abenteuer erleben. Dabei stellt schon der Ausbruch aus dem Stall, um das verloren gegangene Glöckchen der Hauskatze wiederzubeschaffen, eine echte Herausforderung dar.

Die Regeln Jede Probe wird mit einem ein simplen W6-Poolsystem durchgeführt, 4 und 5 gelten als Erfolg. Als einzigen Bezug zum Kaninchen-Thema dient das Steigern per „Snacks“: Jeder Snack gibt eine +1-Steigerung auf einen beliebigen Wert, wenn es sich um den Lieblingssnack handelt, den man bei Charaktererschaffung festlegt. Ein Wert steigt außerdem um +1, wenn ein Pasch gewürfelt wird.

Charaktererschaffung

Jedes tapfere Kaninchen hat die vier Würfelpools „Speed“, „Stealth“, „Springs“ und „Smarts“. Die Startwerte werden zufällig bestimmt. Dazu legt man noch den Lieblingssnack fest und kann sich bezüglich Fellfarbe und -zeichnung künstlerisch an dem stilisiertem Kaninchenbild auf dem Charakterbogen ausleben. Noch ein passender Name, und fertig ist der Hoppel-SC.

Spielbarkeit aus Spielleitersicht Das System besteht im Grunde nur aus einem einfachen Probenmechanismus, und dieser funktioniert so gut oder schlecht wie bei den vielen anderen Systemen auch. Die einzige, regelseitige Herausforderung als SL besteht darin, die Schwierigkeit für jede Probe zwischen 1 und 9 festzulegen.

Im PDF wird direkt mit der Charaktererschaffung begonnen. Es wird noch darauf hingewiesen, dass man mit Brave Bunnies frei und improvisiert spielen kann – richtig wäre aber: Man muss es sogar, denn zur Lebenswelt und -weise der Tiere, zu natürlichen Feinden, üblichen „Snacks“ und dergleichen erfährt man nichts.

Natürlich steht einem das System auch nicht im Weg, wenn man es zum Beispiel etwas märchenhafter oder fantastischer spielen will, aber es unterstützt das auch nicht explizit. Einzig die Charakterwerte haben Bezug zu den Tieren, aber auch hier stellt sich die Frage, warum ein Wert für „Springen“, aber keiner für „Graben“ oder „Schnuppern“ vorgesehen ist, was beides mindestens ebenso kaninchentypische Handlungsweisen sein dürften.

Werte werden auf zwei Arten erhöht: Die eine ist allein von der Entscheidung der SL abhängig, die andere komplett zufällig. Sobald ein Kaninchen einen Snack frisst (wann einer gefunden wird, bestimmt die SL), erhöht sich ein beliebiger Wert um +1, im Falle des Lieblingssnacks um +2. Außerdem erhöht sich ein Wert bei einem Pasch aller Würfel des aktuellen Pools. Besonders die Snackmechanik wirkt wenig durchdacht und läuft darauf hinaus, dass die SL bestimmt, ob und wann ein SC aufsteigt.

Spielbarkeit aus Spielersicht Beide Spielerinnen haben oder hatten selbst Kaninchen und kannten sich dementsprechend mit typischen Verhaltensweisen der Tiere aus, was mehr zum Spiel beigetragen hat als die Regeln. Diese standen zwar nicht im Weg, haben aber in keiner Weise zum Flair beigetragen. Im Nachgespräch wurde kommentiert, dass man für USD 1,50 hiermit deutlich zu wenig bekommt und auch die Zielgruppe für das Dokument unklar ist, da sich der Text eher erschließt, wenn man bereits Erfahrung mit Rollenspielen hat – dann aber eigentlich dieses System nicht braucht, sondern einfach selbst mindestens genauso gut improvisiert bekommen würde.

Spielbericht Für die Testrunde wurde nicht auf einen vorhandenen Aufhänger zurückgegriffen, sondern ein eigener Plot improvisiert.

Die beiden tapferen Hofkaninchen Bouncer und Floppy haben eigentlich ein ganz angenehmes Leben im Freilaufstall des großen Gartens. Täglich werden sie mit Leckerlis versorgt, dürfen regelmäßig auf die große Wiese und hin und wieder gibt es neues Spielzeug – bis vor ein paar Tagen der Nachschub aufhörte. Zwar gibt es immer noch Futter, aber sobald beide schlafen, ist der Rest verschwunden. Nachdem sich beide zunächst gegenseitig verdächtigen, beschließt man, die Sache selbst in die Pfoten zu nehmen!

Während Floppy vor dem Stall eine verdächtige Spur von Futterresten entdeckt, dreht Bouncer ein paar schnelle Runden (Speed: 6 Erfolge) und reißt damit den Stall ein wenig vom Gitter los, so dass sich eine kleine Lücke auftut.

Die beiden beschließen, der Spur zu folgen und verköstigen erst einmal die gefundenen Reste.

(Hier habe ich beschlossen, das System anzupassen und statt dauerhaften Boni für Leckerlis nur einen temporären auf die nächste Probe zu geben. Außerdem hatte ich eine Zufallstabelle für Snacks vorbereitet, die im Spiel gut funktioniert hat.)

Dabei spüren sie aber schon das Beben des Bodens, das ein nahendes Menschenjunges ankündigt. Während sich Floppy im Blumenbeet versteckt, wird Bouncer entdeckt und hochgehoben, kann sich aber durch schnelles (wieder Speed) Herumschütteln befreien und rennt zur Scheune, wo die Spur hinführt. Während das Menschenjunge auf den Stall zusteuert, haben die beiden Zeit, sich in die Scheune zu begeben. Floppy grübelt darüber nach, wo er noch gleich die magische, sich öffnende Wand gesehen hat (Smarts mit vielen Erfolgen), entdeckt aber dabei ein lockeres Brett in der Wand knapp über einem Haufen an die Außenwand gelehnter Maschinen. Auf diesen hüpft Bouncer mit einer gelungenen Springs-Probe, nimmt einen fremden Geruch war, erreicht aber nicht genug Erfolge auf Smarts und erinnert sich nicht an den Geruch. Er hilft Floppy ebenfalls hoch, der es zwar schafft, dabei aber (dank knappen Springs-Mißerfolg) den Haufen Maschinen umwirft – der Rückweg ist versperrt!

Jetzt meldet sich eine Stimme über ihnen und beiden fällt ein, wem der Geruch gehört: dem listigen Hofkater Fred, der sich von seinem Balken herunterlässt und wissen will, was die beiden hier zu schaffen haben (hier habe ich festgelegt, dass es eine „Sprache der Tiere“ gibt, über die sie sich verständigen können).

Im folgenden Gespräch eröffnen beide, dass es um verschwundenes Futter geht und Fred berichtet im Gegenzug von einem frechen Raben, der ihm schon lange ein Dorn im Auge ist und der wohl öfter in der Gegend Leckereien klaut. Der Vogel lebt in der Scheune auf den höchsten Balken, wo Fred nicht herankommt. Wenn die beiden Kaninchen den Raben runterlocken, wird Fred sich um das Problem kümmern.

Nach kurzer Planung beschließen die zwei einen todesmutigen Plan: Der schnelle Bouncer lockt das Menschenjunge in die Scheune und Floppy stellt sich krank, so dass das Kind auf das Stroh klettert und den Raben aufscheucht, der auf einem Balken Zuflucht sucht, den Fred erreichen kann. Der Kater stürzt sich auf den Raben und verjagt diesen nachdrücklich aus der Scheune. Damit sind die Leckerlis für die Zukunft gesichert und der Stall wird von den Menschen gegen weitere „Luftangriffe“ gesichert.

Die Runde war launig und humorvoll, was sich aber eher aus der Gruppendynamik ergab als aus dem Regelsystem. Schon in der ersten Runde hat man gemerkt, dass mindestens Werte für „Graben“ und „Wahrnehmen“ fehlen sowie eine Mechanik zur Zusammenarbeit. Die Würfelmechanik stand nicht im Weg.

Erscheinungsbild Brave Bunnies ist nur als PDF erhältlich, was bei den fünf Seiten Umfang (inklusive einer Seite Cover und einer für den Charakterbogen) nicht verwunderlich ist. Das PDF ist in Schwarzweiß gehalten, und als einzige Illustration wird ein freies Clipart mehrfach verwendet. Hier würden ein bisschen Farbe und ein paar gut ausgewählte oder nachbearbeitete Stockfotos eine einfache, aber wirkungsvolle Aufwertung bringen.

Die Textblöcke wirken durch den Verzicht auf Blocksatz gedrängt und unruhig. Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass es sich hier um ein recht lieblos in Word heruntergeschriebenes Dokument handelt, was dann ohne weiteres Layout einfach in ein PDF exportiert wurde.

Einzig in den übersichtlichen Charakterbogen ist etwas mehr Aufwand geflossen. Aber auch hier zeigen andere Rollenspiele mit ähnlichem Themenfokus wie beispielsweise Ratten!, wie man an der Stelle deutlich mehr herausholen könnte.

Hausregeln Wer trotz dieses Reviews dem System eine Chance geben möchte, dem würde ich folgende Regelanpassung empfehlen, die sich im Spiel nach wenigen Minuten schon bewährt haben:

Snackmechanik Statt eine permanente Erhöhung des Wertes bekommt ein SC einen Bonus von +1/+2 (Lieblingssnack) nach dem Naschen eines Snacks.

Zufallstabelle für Snacks Statt Snacks willkürlich zu geben, kann man auf folgende Zufallstabelle würfeln, die natürlich beliebig durch Lieblingssnacks der SC erweitert werden kann.

Teamwork Für eine gemeinsame Probe kann das helfende Kaninchen dem anderen zusätzliche Würfel in Höhe der eigenen Erfolge geben.

Fazit Ein Rollenspiel mit Kaninchen? Da musste ich direkt an die beiden Bücher Unten am Fluss und Als die Tiere den Wald verließen denken und war motiviert und neugierig, was mich da erwartet.

Das Spiel wird mit „designed for anyone to play“ beworben und kommt diesem Versprechen bestenfalls durchs Weglassen eines Regelsystems nach, das diese Bezeichnung verdient hätte. Über einen einzelnen, undurchdachten Grundmechanismus und ein paar leidlich inspirierende Abenteuerideen hinaus hat Brave Bunnies leider nichts zu bieten, was man als erfahrene:r Rollenspieler:in mit einer stark vereinfachten Variante eines beliebigen Systems nicht auch in kurzer Zeit hinbekommen könnte. Aufbau und Struktur sind wenig geeignet, Neulingen die Grundprämisse eines Rollenspiels beizubringen, und eine unerfahrene SL wird hier gar nicht an die Hand genommen. Gemessen daran, dass es eine ganze Reihe kostenloser Systeme gibt, die deutlich besser funktionieren kann ich hier nicht einmal für USD 1,50 eine Empfehlung aussprechen.

Das Spiel als Kaninchen hat aber einen gewissen „Feelgood-Charme“ und es hat mich immerhin zu einer einzigartigen Zufallstabelle inspiriert. Das Probensystem stand dem Spiel zumindest nicht aktiv im Weg.

Alternativen Als englischsprachiges Einsteigerrollenspiel im gleichen Preissegment wie Brave Bunnies werden wir demnächst auch Tricube Tales in einer Rezension genauer unter die Lupe nehmen.

Wer sich für Tierrollenspiele interessiert, ist mit den Erweiterungen zu Geheime Welt der Katzen besser bedient. Wer lieber Mäuse mag, der findet mit Mouse Guard eine Alternative. Und Ratten! zeigt, dass man schmale Regeln exzellent präsentieren kann.

Mit Turbo Fate bekommt man ein schmales, funktionales, narratives Rollenspiel in der kostenlosen Variante als PDF.



Wertung:
[3 von 5 Sternen!]
Brave Bunnies (A Cute TTRPG Game for Everyone)
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A Witcher's Journal
Verlag: R. Talsorian Games Inc.
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 04/10/2021 04:46:36

https://www.teilzeithelden.de/2021/04/06/ersteindruck-a-witchers-journal-r-talsorian-games-monster-en-masse/

Lange bevor Geralt von Riva über den Kontinent zog, ja sogar vor den unbekannten Abenteuern seines Mentors Vesemir, gab es Erland von Larvik, einen Hexer der ersten Stunde. Seine Notizen bilden die Basis für die zweite Erweiterung zum Witcher-Rollenspiel. Wenig überraschend enthalten diese viele Beschreibungen von Monstern.

Bereits 2018 erschien das Grundregelwerk zum Hexer-Rollenspiel oder auch The Witcher – TRPG im Hause R. Talsorian Games und bot einen soliden Einstieg zum Rollenspiel auf dem namenlosen Kontinent. Die gesellschaftlichen Probleme, die politischen Intrigen und die generelle Düsternis des Settings wurden treffend eingefangen. Dazu spielten sich die Kämpfe dank des W10er-Interlock-Systems (Cyberpunk Red) außerordentlich tödlich. Die erste Erweiterung Lords&Lands bot verhältnismäßig wenig und überzeugte weder bei den NSC, den Ländereien noch der neuen Klasse Adelige:r völlig.

Mit dem Witcher‘s Journal bringt das Team um Cody Pondsmith nun die nächste Erweiterung auf den Markt. Dieses Mal darf sie sich tatsächlich so nennen: Auf den insgesamt 160 Seiten finden sich zahlreiche Monster und verschiedene Tagebucheinträge des legendären Hexers Erland von Larvik. Dazu Hexer-Aufträge, besondere Monster und neue Spielmechaniken. Ein proppenvolles Paket also?

Das Goldene Zeitalter der Hexer – A Witcher‘s Diary Mit den Aufzeichnungen des ersten Hexers erweitern R. Talsorian Games den spielbaren Zeitraum. Bisher standen in ihrem Rollenspiel die Ereignisse um die drei Nilfgaardischen Kriege im Vordergrund, die während der Bücher und Videospiele stattfinden. Nun wagten die Entwickler:innen den Sprung ins kalte Wasser und liefern hier erstmals Einblicke in die Anfänge der Hexer-Gilde, kurz nach der Konjunktion der Sphären.

Es werden Jahreszahlen und Hintergründe zu den ersten Hexern geliefert sowie zu einigen bekannten Vertretern jener Zeit. Schlussendlich geht es dann um die Spaltung der Hexer in verschiedene Schulen, die sich den Kontinent aufteilen, die daraus resultierende Renaissance der ausschließlich männlichen Kaste und den unausweichlichen Niedergang der Schulen.

Im Auftrag einer reichen Witwe kümmert sich Erland von Larvik um ein paar Neblinge, die es sich im Sumpf etwas zu gemütlich gemacht haben. © R. Talsorian Games Das betitelte Goldene Zeitalter ist hierbei nur in puncto Monsteranzahl wirklich golden. Ansonsten dominieren weiterhin bekannte Themen wie Rassismus, Mord und Totschlag, Krieg oder Neid – es ist und bleibt eine raue Welt.

Insgesamt sind die Informationen detailliert, aber nicht zu detailverliebt, sodass eine Kampagne zur Zeit der ersten Hexer gut zu erstellen ist. Jedoch bleibt genügend Freiraum, eine eigene Geschichte zu erschaffen und neues Lore zu erleben.

Neben dem Rundumschlag in fiktiver Historie werden als kleine Einspieler zwischen den Monsterbeschreibungen einzelne Transkripte aus den Larvik’schen Tagebüchern geliefert. Diese gehen nie über eine äußerst volle DIN-A4-Seite und lesen sich in etwa wie die Kurzgeschichten der Geralt-Saga, wenn man diese auf die Kampfszenen reduziert hätte. Die Geschichten selbst sind meist zu kurz, um eigene Abenteuer daraus zu entwickeln, jedoch lassen sie die sonst etwas zahlenlastigen Monsterbeschreibungen lebhafter wirken und liefern Anhaltspunkte zur Beschreibung der Wesen.

Tödliche Tierwesen und wo sie zu finden sind – Von Barbegazi bis Waldschrat Das Gros der Erweiterung machen jedoch nicht die Tagebücher, sondern die Monsterbeschreibungen aus. Direkt zu Beginn wird erklärt, wie die Monstertabellen zu lesen sind. Wäre das nicht etwas für das Grundregelwerk gewesen, welches geradezu unter einer Flut von wenig erklärten Tabellen litt?

Nichtsdestotrotz lohnt sich die Klarstellung. Die Monster im Buch sind in Kategorien wie Nekrophagen, Geister oder Bestien unterteilt. Besondere Monster wie höhere Vampire oder echte Drachen bilden nochmal eine eigene Klasse. Über 33 Monster haben so im Journal eine neue Heimat gefunden. Bis auf die Trolle gibt es keine Dopplungen mit dem Grundregelwerk. Mit dabei sind viele faszinierend-abstoßende Wesen aus The Witcher 3, wie etwa Fehlgeborene oder Schleimlinge. Doch auch unbekanntere Bestien aus den Vorgängern haben Einzug gefunden, beispielsweise die Gralle.

Die Jagdobjekte haben neben einer generellen Schwierigkeit viele weitere Stellschrauben. Wie intelligent sind sie? Sind sie rein instinktgesteuert oder in der Lage, taktische Entscheidungen zu treffen? Über was für Fähigkeiten und Finessen verfügen sie? Und, am allerwichtigsten für den dauerhaft geldknappen Hexer: Was für Beute wirf das Monstrum ab? Das schafft auf einer Buchdoppelseite Übersichtlichkeit und System für die SL.

Abgerundet wird das Monsterkomplettpaket mit einigen Hilfestellungen zu Encountern und längeren wie kürzeren Lore-Texten, welche aus der Sicht von Gelehrten oder Hexern verfasst wurden. Diese Erfahrungsberichte zeigen sehr schön die Wissensunterschiede. Denn während Nicht-Hexer sich mit ihrer Bildung nur auf Hörensagen und Aberglauben verlassen können, ist es den Profis dank ihrer Ausbildung vergönnt, sehr schnell viele wichtige Informationen zu Tage zu fördern.

Das kann dann, ganz Witcher-typisch, den ein oder anderen Kampf ersparen. Wenn der Hexer der Gruppe sich beispielsweise daran erinnert, dass Trolle oft mit Alkohol bestechlich sind und die SC daraufhin ihre Taschen danach durchsuchen, um die Monster-Begegnung unbeschadet zu überstehen.

Außergewöhnliche Monster – Lebensläufe für Drachen und Vampire Die sogenannten Außergewöhnlichen Monster stechen aus der restlichen Metzel-Masse heraus und sind mit deutlich mehr Informationen versehen. So geht es bei den echten Drachen viel um die Unterschiede bei der Farbgebung, ihre Gesellschaftsform und wie ein so hochintelligentes Wesen trotz fehlender Lippen mit den Spieler:innen kommunizieren kann.

Höhere Vampire, die vielen noch aus dem Witcher 3-DLC Blood and Wine bekannt sein dürften, fallen ebenfalls in die Kategorie des Besonderen. Neben viel Hintergrundmaterial zu den verschiedenen Stämmen und ihren Ursprüngen rund um das Herzogtum Toussaint, dürfte die größte Neuerung der Lebenslauf für die besonderen Monster sein. Denn da es sich bei Drachen wie Vampiren um nahezu unbesiegbare Boss-Gegner handelt, empfiehlt das Buch, sie von vornerein mit mehr Persönlichkeit, als das typische „Monster der Woche“ zu versehen. R. Talsorian liefert hier auswürfelbare Lebensläufe mit aberdutzenden Möglichkeiten. Das war bereits eine der Stärken des Grundregelwerks. Ähnlich wie bei den SC geht es hier zuerst um die Familie und das Alter, bevor es um spezielle Dinge wie den Jagdstil oder einzelne Lebensereignisse geht. So können Drachen beispielsweise in Frieden mit der Landbevölkerung zusammengelebt oder ein Vampir schonmal gegen einen Hexer gekämpft haben, woraufhin er gegen seine Tricks immun wurde. Vielleicht ist der vampirische Gegenspielende einer Gruppe aber auch nur ein ausgestoßener Blutalkoholiker.

Nach diesem Prinzip lässt sich prima und schnell eine Nemesis für die Gruppe entwickeln, die nicht an einem Abend besiegt wird, sondern am Ende einer langen Kampagne steht.

Ermittlungen und Aufträge – Hardboiled Witcher Passend zu den supernatürlichen Antagonist:innen bespricht das Buch in seinem vorletzten Kapitel, wie sich diese mit komplexeren Abenteuern langsam aufbauen lassen. Kurz gesagt: Es geht um Rätsel und Ermittlungen im Witcher-Rollenspiel. Denn wie das Buch treffend festhält, sind Hexer nicht nur mutierte Monsterschlächter, sondern genauso effektive Detektive. Oftmals ist am Anfang eines Auftrages nicht klar, um welche Bestie es sich handelt (so vage sind unter anderem auch die elf beigelegten Hexer-Aufträge). Vor dem eigentlichen Kampf werden also Zeug:innen befragt oder Tatorte untersucht.

Aus dem Intelligenz- und dem Willenskraft-Wert ermittelt sich die Menge an Fokuspunkten, die für das Finden von Hinweisen und das daraus folgende „Herstellen“ von Beweisen gebraucht wird. Die Hinweissuche kann durch Hindernisse erschwert werden. Die Hinweise selbst können zusätzlich noch einen Verschleierungs-Wert haben, der wie eine Art Rüstung für das Rätsel fungiert. Das Mysterium selbst hat einen Komplexitätswert, welcher schlussendlich durch „Schaden“ auf null reduziert werden muss, um zu des Rätsels Lösung zu gelangen.

Trotz zahlreicher Beispiele und umfangreichen Informationen verfällt das Witcher’s Journal hier in alte Muster und verliert sich mitunter in Überkomplexität und Zahlen. Andere, durchaus relevante und spannende Aspekte fürs Ermittlungsrollenspiel, wie etwa der Umgang mit der Diskrepanz zwischen Spieler:innen und Charakterwissen, werden lediglich am Rande behandelt.

Erscheinungsbild Das Witcher’s Journal umfasst 160 DIN-A4-Seiten und ist im Oktober 2020 außerdem in deutscher Übersetzung beim Truant Verlag erschienen – für den Ersteindruck lag jedoch nur die englische PDF vor.

Der größtenteils fehlerfreie und gut lesbare Text wird untermalt von zahlreichen stimmigen Illustrationen der Witcher-Welt. Erstmals finden sich sogar komplett neue Bilder im Buch. Bisher lieh man hierbei immer von The Witcher 3 oder Gwent.

Die Texte sind verständlich, das Layout ist stimmig. Offenbar wurde aus den vielen Fehlerchen des ersten Grundregelwerks gelernt – schlecht oder gar nicht erklärte Tabellen gibt es jedenfalls keine. Vorhandene Informationen sind sinnvoll auf Text, Tabellen und Seitenränder verteilt.

Die PDF ist bereits mit einem Index versehen, welcher schnell zu den einzelnen Monsterklassen verweist. Für ein wenig Verwirrung sorgte, dass die Tagebucheinträge im Inhaltsverzeichnis den Monstern beigefügt sind, sie im PDF-Index aber als eigenständiges Kapitel aufgeführt sind.

Fazit

Das Witcher’s Jorunal ist ein solides Bestiarium zum Nachschlagen und Erweitern der eigenen Kampagnen geworden. Alle notwendigen Informationen zu einem Monster befinden sich auf wenigen Seiten komprimiert und lassen sich schnell umsetzen. Die Wesen sind abwechslungsreich und zusätzliche Features wie die Lebensläufe geben den besonderen Monstern bereits zum Start eigene Persönlichkeiten mit Freund:innen, Feind:innen und Verflossenen.

Der Hintergrund-Teil des Buches und die Aufträge sind eine nette Dreingabe, genauso wie die Tagebucheinträge. Insgesamt bleiben sie jedoch genau das, eine Dreingabe. Für einen richtigen Story- oder Kampagnenband wäre das zu wenig. Durch die Hexer-zentristische Sicht fehlen hier vor allem Informationen zu politischen und gesellschaftlichen Umständen.

Das Investigationssystem ist detailliert, verliert sich aber mitunter in seinen zahlreichen Sonderregelungen und wirkt in Anbetracht einer zügigen Umsetzung am Spieltisch erst einmal abschreckend.

Als Monster-Erweiterung erfüllt das Buch für knapp 30 Euro (15 Euro für die PDF) seinen Zweck allemal. Es bietet viel Material für spannende Kämpfe, Abenteuer und Begegnungen in der Welt der Hexer.



Wertung:
[4 von 5 Sternen!]
A Witcher's Journal
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Ironsworn
Verlag: Shawn Tomkin
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 03/07/2021 05:59:48

https://www.teilzeithelden.de/2021/03/07/rezension-ironsworn-der-lange-weg-des-eisernen-eids/

Auf ein Wort, Wanderer! Lass uns handeln: Du geleitest mich auf dem Weg durch die Eisenlande und dafür berichte ich dir von Ironsworn. Ah, du schwörst, mich zu schützen, sogar mit der Hand auf deinem eisernen Schwert? Vorsicht – hier gilt ein Schwur noch etwas! Wirst du ihn halten?

Bevor du entscheidest, bedenke: Ein „Eiserne Eid“ wiegt schwer und wirst du ihn nicht halten, wird das Konsequenzen tragen, die deinen weiteren Lebensweg bestimmen. Ein Eid auf Eisen verpflichtet – das ist das zentrale Thema von Ironsworn, A tabletop RPG of perilous quests und zieht sich durch das ganze Buch, vom Titel über die Spielwelt ,,Eisenlande“ bis zu den Regelelementen. Shawn Tomkins komplett unter Creative Commons-Lizenz stehender PbtA-Ableger bietet in Zeiten von Kontaktbeschränkung Rollenspiel sowohl für kleine Gruppen mit SL, kooperative Duos oder sogar für das Solospiel in den Eisenlanden – alles mit demselben Regelkern.

Die Spielwelt Mit gerade einmal 21 Seiten (exklusive der NSC-Liste) ist die Weltbeschreibung im Vergleich zu anderen Grundregelwerken eher rudimentär. Statt einer detaillierten Spielwelt werden auf wenigen Seiten stereotype Schablonen der Regionen der Eisenlande beschrieben, von der „Ragged Coast‘‘mit ihren Fjorden bis zu den bitterkalten, eisbedeckten „Shattered Wastes“ im hohen Norden. Jede Region ist auf einer eigenen Seite mit einer Liste typischer Eigenheiten der Region, einem kurzen Fließtext und einem möglichen Aufhänger für Quests beschrieben.

Das wirkt zunächst dürftig, ist aber der PbtA-Prämisse „Play to find out“ geschuldet. Dadurch, dass viele der Spielzüge (siehe unten) mit ihren Ergebnissen weitere Elemente ins Spiel bringen und bereits vorhandene verändern, erweitert man durch das Erspielen der Welt diese Stück für Stück. Eine zu detaillierte Festlegung der Welt könnte dieser Spielweise eher im Weg stehen. Trotzdem braucht eine Spielwelt bestimmte grundlegende Prämissen, auf denen man aufbauen kann. Dafür ist Abschnitt „Your Truths“ gedacht, in welchem man zu elf übergeordneten Themen (beispielsweise: Religion, Mystizismus oder die besondere Bedeutung von Eisen in der Welt) entweder eine von jeweils drei Beispielen auswählt oder sich selbst eine eigene Alternative überlegt.

Weitere Details und Fragen zur Spielwelt werden dann im Spiel durch Improvisation in der gemeinsamen Erzählung, Ergebnisse von Spielzügen oder durch das sogenannte „Orakel“ beantwortet – eine umfangreiche Sammlung von Zufallstabellen am Ende des Buches, mit dem man auf die Schnelle zum Beispiel den Namen einer Siedlung, einen mystischen Rückschlag für eine fehlgeschlagene Aktion, ein persönliches Ziel eines NSC und vieles mehr erwürfeln kann.

Die Regeln Schwüre bilden das zentrale Element der charakterzentrierten Geschichten und ihrer regelseitigen Abbildung. Damit teilt Ironsworn die Grundeigenschaft vieler anderer PbtA-Systeme: einen sehr starken Themenfokus. Der Regelkern des ursprünglichen Systems wird aber stark verändert, erweitert und umgedeutet, sodass eigentlich nur noch die PbtA-Grundmechanik übrigbleiben: die „Moves“ oder Spielzüge.

Ein Spielzeug ist eine festgeschrieben Regelaktion, die auf Basis eines narrativen Auslösers passiert und meist mit einem Würfelwurf und einer Bandbreite an Ergebnissen und Folgen verbunden ist. Ein Spielzug geht immer aus einer bestimmten Aktion in der Erzählung hervor. Beispielsweise sucht die Gruppe einen Lagerplatz und richtet sich auf eine Übernachtung in der Wildnis ein. Das löst den Spielzug „Make Camp“ mit dem entsprechenden Wurf aus. Je nach Ergebnis (Voller Erfolg, Teilerfolg, Fehlschlag) und Spielzug kann man aus einer Liste von Ergebnissen eines oder mehrere auswählen. Oft ist „Take +1 Momentum“ in der Liste enthalten, welches diesen Wert erhöht. Momentum kann in besonderen Situationen genutzt („verbrannt“) werden, um fehlgeschlagene Würfelwürfe doch noch gelingen zu lassen.

Entscheidet man sich dagegen ist die Folge meist einer der sogenannten „Suffer“-Spielzüge, die immer dann zum Tragen kommen, wenn etwas fehlschlägt. Je nach Ausgang kann das Ergebnis eines Suffer-Wurfes einen weiteren, schlimmeren nach sich ziehen. Der letzte dieser Art ist demensprechend „Face Death“.

Im Falle von „Make Camp“ wird bei einem Misserfolg direkt der Spielzug „Pay the Price“ aktiviert, welcher meist mit unangenehmen Konsequenzen für den Charakter verbunden ist.

Das zweite zentrale Regelelement von Ironsworn sind die Fortschrittsleisten, mit denen zum Beispiel die Eide, aber auch Reisen und die „Bonds“ (eine Anzeige, wie viele bedeutsame Verbindungen zu anderen Personen der Charakter bisher aufbauen konnte) nachgehalten werden. Je nachdem, wie schwerwiegend ein Eid ist, desto schwerer wird der Fortschritt. So kann man pro Schritt teilweise nur ein Strich in der Box machen (ein „Tick“) oder bei einer einfachen Reise zum Beispiel mehrere Boxen pro Schritt ausfüllen.

Ist ein Balken weit genug fortgeschritten und bietet sich eine Gelegenheit zum Abschluss in der Erzählung, kann man einen entsprechenden Spielzug zum Abschluss nutzen. Bei den Eiden wäre das „Fullfill your vow“. Aber auch dieser kann schiefgehen! Sollte es sich um den „Ersten Eid“ handeln, der die Grundmotivation des Charakters bildet, kann das sogar bis zum Abschluss des Abenteurerlebens gehen – dem Spielzug „Write your epilogue“, mit dem man den Charakter zur Ruhe setzen kann.

Solo- versus kooperatives Spiel Ironsworn deckt drei verschiedene Spielmodi ab: Den klassischen Modus mit SL und Spielgruppe („Guided Play“), kooperatives Rollenspiel („Co-op“) mit zwei bis drei Spieler*innen und den Solo-Modus für das Spiel allein.

Letzteres ist der Standardmodus, von dem das Regelwerk bei den Erklärungen ausgeht – denn hier greifen alle Mechaniken. Insbesondere der Spielzug „Ask the Oracle“, mit dem man die Zufallstabellen für Inspiration, Spielfortschritt, Konflikte und alles weiter heranzieht, spielt im Solo-Modus eine viel größere Rolle als mit SL, der dann diese Funktion meist ersetzen wird.

Die meisten Proben werden außerdem gegen 2W10, den „Challenge Dice“, statt gegen eine fixe oder von der Spielleitung festgelegten Schwierigkeit gewürfelt – unabhängig ob man klassisch, kooperativ oder solo spielt.

Die letzten 50 Seiten im Buch gehen nochmal vertiefend auf die drei Spielmodi ein, liefern Hinweise für One-Shots und Kampagnenspiel und detailliert beschriebene Spielbeispiele.

Charaktererschaffung Im Gegensatz zu den typischen Charakter-Playbooks anderer PbtA-Systeme, wo unterschiedliche Charakterkonzepte eigene Spielzüge mitbringen, ist der Charakterbogen bei Ironsworn ebenso übersichtlich wie funktionell und die Charaktererschaffung völlig frei. Nach dem Verteilen der Punkte auf die fünf Eigenschaften (Edge, Heart, Iron, Shadow, Wits) wird der zentrale „background vow“ festgelegt – der zentrale Eid, der den Charakter und seinen Antrieb widerspiegelt, durch die gefahrvolle Wildnis der Eisenlande zu ziehen, statt sich irgendwo niederzulassen. Hierzu kann man die festgelegten Wahrheiten der Welt, eigene Ideen oder die Zufallstabellen zu Rate ziehen, um einen starken Eid zu erarbeiten. Dazu wird noch ein zweiter, leichterer, aber dringlicherer Eid festgelegt, der einen quasi ins Abenteuer zieht.

Der Charakterbogen hat darüber hinaus noch ein interessantes Gimmick: Für die variablen Werte Momentum, Health, Spirit und Supply sind Seitenleisten vorgesehen, an denen man den jeweils aktuellen Wert mit Büroklammern markiert – eine elegante Lösung, die ich so seit dem alten Deadlands nicht mehr gesehen habe.

Spielbarkeit aus Spielersicht Ich habe bisher eine Runde Ironsworn im kooperativen Modus mit einem Mitspieler ausprobiert, der bereits Erfahrung mit der Spielweise hatte und mir das Regelwerk danach erst durchgelesen. Im kooperativen Spiel wechselt man immer wieder Spielerinnenrolle und SL-Sicht. Der Bericht ist daher nicht eindeutig einer Sichtweise zuzuordnen und auch wenn ich noch eine gesonderte Testrunde im „Guided Play“ anstrebe, denke ich, dass auch dort die Aufgaben der Spielleitung mehr im Sinne einer gemeinsamen Erzählung liegen als in eher klassischen Aufgaben als Schiedsrichterin oder Antagonist*in. Ironsworn löst an der Stelle die klassischen Abgrenzungen sehr weit auf.

Dadurch, dass zuerst Regeln, Hintergrund und Spielzüge erklärt werden und erst am Ende des Buches genauer auf die angestrebte Spielweise eingegangen wird, hatte ich beim Lesen lange den Eindruck, keine konkrete Vorstellung vom eigentlichen Spiel zu bekommen. Erst am Ende fügten sich die Elemente dann zusammen. Danach wurde mir auch klar, warum Ironsworn so aufgebaut ist: Alle für das Spiel nötigen Elemente sind direkt hintereinander und durch Layout und Struktur schnell auffindbar. Das müssen sie auch sein, denn insbesondere die Orakel-Tabellen schlägt man oft auf, wie sich im Spiel herausgestellt hat.

Beim kooperativen Spiel zu zweit ergab sich sehr schnell ein natürlicher Fluss aus gemeinsamer Erzählung, Spielzügen, Diskussion über mögliche weitere Verläufe und Deutung von „Ask the Oracle“-Ergebnissen.

Spielbericht Beispiel aus der Spielrunde In unserer Testrunde haben wir uns auf Basis unserer „Truths“ habe ich die Rolle der in Verbannung lebenden, erfahrenen und verbitterten Kriegerin Zanita Althus übernommen, mein Mitspieler entschied sich für die Priesterin des Ewigen Wanderers Tessa Nia, die Zanita zum Ende ihrer Verbannung auf den Messinginsel prüfen und zurück in die Gemeinschaft führen sollte (was direkt als Eid festgelegt wurde).

Die folgende Mitschrift ist das Ergebnis dieser Runde und als Tagebuchaufzeichnung aus Zanitas Sicht verfasst:

(20 Jahre nach Exil, Tag 0 – Das Ende meiner Zeit hier)

Heute ist der Tag. Jemand wird kommen und mich abholen, mich prüfen. Und mir eine Chance geben.

Zwei Jahrzehnte allein – und ich weiß nicht, ob ich mit Vorfreude in die Zukunft schauen soll oder mit Sorge.

Hatte ich es denn hier so schlecht? Der erste Winter war hart und ich musste in kurzer Zeit viel Neues lernen, habe viele Fehler gemacht und dafür mit Schmerzen bezahlt. Aber jetzt, wo ich meine kleine Heimstatt habe… vermisse ich andere Menschen? Ich weiß nicht. Ich weiß vielleicht gar nicht, ob ich überhaupt hier wegwill.

(Tag 1 – Eine Frage des Glaubens)

Sie kamen zu dritt: Tessa Nia, die Priesterin – kaum mehr als halb so alt wie ich – und ihre beiden noch jüngeren Begleiter, zwei Novizen die gewissenhaft ihrer ersten Aufgabe außerhalb des Konvents nachgehen: Auf mich aufpassen.

Als ob ich das nötig hätte! Vermutlich sollte ich mich gekränkt fühlen, dass sie keine richtigen Krieger als Wache schicken, aber ehrlich gesagt belustigt es mich immer noch. Ja, welch törichter Gedanke, mich „alte Frau“ vorm Türmen zu hindern! Ich hätte gelacht, wäre nicht der Hintergrund so ernst. Denn die Reise dient dem Zwecke, mich zu prüfen vor dem Angesichts des Ewigen Wanderers und dazu suchen wir einen Altar unweit der Küste auf. Ich hatte gehofft, einen Schwur vor der Priesterin abzulegen und dann weiter meiner Wege kennen zu können – wo auch immer diese langführen würden. Stattdessen lässt der Wanderer nicht von mir ab. Der Gedanke, ob denn meine eigentliche Prüfung jetzt erst beginnt, wo ich nach so langer Zeit wieder unter Menschen weilen würde, kam mir schon als Priestess Nia mich vor meiner Hütte aufsuchte, aber sie bemerkte meinen Zweifel nicht.

Wohl um mich selbst bestärken, wie ich rückblickend feststelle, schwor ich mir selbst auf die Blaueisen-Münze, die mir all das eingebracht hat, dass ich die Prüfung des Ewigen Wanderers bestehen würde und mich würdig erweisen, wieder ein Teil der Gemeinschaft der Eisenländer zu werden!

Nun, die Reise ging schon gut los: Erst verlor ich ein Ruder, so dass wir ein Stück weiter an Land gingen als eigentlich geplant. Die Priestess trug das mit Gleichmut und ich tat wohl gut daran, mir nichts anmerken zu lassen.

Auf der Reise verbrauchten die Jungspunde mehr Proviant, als gut für sie war, so dass ich mich erbarmte und in dem verfluchten Wald ein bißchen mageres Kleinvieh zu erbeuten. Priestess Nia schien besorgt, dass der Wald Gefahren bereithielt, also zeigte ich den verhätschelten Mauerblümchen, wie man herausfindet, ob der Bär noch in der Höhle weilt, die wir uns gerade als „sichere Schlafstätte“ ausgesucht hatten.

An dieser Stelle sucht Zanita den Höhleneingang auf Tierspuren ab. Das löst „Gather Information“ aus mit einem „Weak hit“ und dem Ergebnis: „The information complicates your quest or introduces a new danger. Envision what you discover (Ask the Oracle when unsure) and take +1 momentum.“

Da uns keine spontane Idee einfiel, wurde das Orakel befragt und das Ergebnis „Debt“ brachte uns auf die Idee, dass hier ein Bündel in einer Art totem Briefkasten deponiert war, mit dem jemand sich aus einer Verpflichtung herauskaufen wollte. Sollten wir es an uns nehmen oder besser liegen lassen? Und wird man es abholen, während wir nächtigen? Besser eine Wache aufstellen!

Die Idee, dass es sich um ein religiöses Artefakt aus dem Tempel des Kultes handelt, dem die andere Protagonistin anhing, kam uns dann ohne weiteres Zutun. Aber im späteren Spiel entschied dann ein anderer Würfelwurf, dass das ganze Schicksal eines Dorfes davon abhing!

Erscheinungsbild Die Rezension geht von der privat vorliegenden, 270 Seiten dicken Hardcover-Ausgabe aus. Der Text ist auf stabilem, weißem Papier in gut lesbarer Serifenschrift gedruckt und wurde mit angenehm proportionierten Seitenrändern gesetzt. Die Kapitel werden durch ganzseitige Bilder abgesetzt, ansonsten erleichtern die klaren Überschriften und die durchgängige Verwendung von Textkästen, Stichwortlisten und Tabellen mit alternierender Zellschattierung die Orientierung.

Im Sinne der Creative Commons-Lizenz wurden als Illustrationen ausschließlich gemeinfreie Stockfotos in schwarz-weiß genutzt, die aber sehr stimmungsvoll zum Setting passend aufeinander abgestimmt wurden und die Rauheit und archaische Natur der Eisenlande und ihrer Bewohner*innen perfekt einfangen. Oft sind Bildteile wie der Himmel freigestellt, um das Foto besser in den Hintergrund zu integrieren, was das Layout ein wenig auflockert.

Ironsworn besticht nicht unbedingt durch Ästhetik und bildet mit den schlichten Stockfotos und dem einfachen Layout einen Kontrast zu Hochglanz-Sammlerprodukten. Die verborgenen Qualitäten fallen erst im Gebrauch auf: Hier überzeugt das Regelwerk durch eine klare, jederzeit nachvollziehbare Struktur, einem funktionalen Inhaltsverzeichnis, Index, spielnahen Beispielen und hilfreichen Übersichtgrafiken und Diagramme zur Veranschaulichung bestimmter Regelelemente.

Dieses Regelbuch ist daher eindeutig als Werkzeug zum aktiven Einsatz beim Spielen gedacht und erfüllt diese Aufgabe mit Bravour.

Bonus/Downloadcontent Auf der Homepage zum Spiel findet man im Download-Bereich neben dem kompletten PDF-Regelwerk und Charakterbogen auch viele Übersichten zu den Spielzügen, eine selbst erweiterbare Karte der Eisenlande und noch vieles mehr.

Wer einen Eindruck davon bekommen möchte, wie Solo-RPG so funktioniert: Trevor Devall nimmt sich mit seinem Kanal Me, Myself and Die! in Season 2 Ironsworn vor.

Auf itchi.io lohnt sich auch der ein oder andere Blick, es gibt dort einige Fanprojekte. Besonders ambitioniert ist The Augur, eine Software zur Unterstützung des Solospiels.

Für kooperatives Spiel kann ich noch die Einbindung in Roll20 empfehlen: Von Charakterbogen über Spielzüge bis zu Orakel wurde hier faktisch das gesamte Regelwerk digital hervorragend implementiert.

Fazit Auch wenn der Gesamteindruck in sich stimmig ist und der knapp beschrieben Hintergrund mit den exzellent ausgewählten Stockfotos ein passendes Gesamtbild ergibt: Ironsworn gewinnt keinen Schönheitspreis. Das will es aber auch gar nicht, vielmehr erhält man hier ein komplettes, funktionales Spielwerkzeug, das unterschiedliche Spielmodi abdeckt und ein bewährtes Regelsystem auf eine überraschend neue und kreative Weise weiterdenkt.

Shawn Tomkin hat hier im Alleingang ein Grundregelwerk geschaffen, das sich mit einer frischen Grundidee und exzellenter Struktur besser für die aktive Nutzung und Unterstützung am Spieltisch geeignet präsentiert als manch anderes Verlagsprodukt. Dass das Ganze auch noch kostenfrei zu bekommen und ist im Rahmen der CC-Lizenz weitergegeben, bearbeitet und erweitert werden kann ist ein großer Schritt in Richtung aktiver und motivierter Macher aus der Rollenspielcommunity. Alles in allem ein mehr als gelungenes Produkt.



Wertung:
[5 von 5 Sternen!]
Ironsworn
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MÖRK BORG CULT: FERETORY
Verlag: Free League Publishing
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 02/21/2021 05:01:52

https://www.teilzeithelden.de/2021/02/20/rezension-verbotenes-wissen-moerk-borg-feretory-free-league/

Die Community des vielfach ausgezeichneten Doom-Metal Dungeon-Crawlers Mörk Borg ist außerordentlich lebendig. Im Rahmen des Programms Mörk Borg Cult werden Inhalte der Fans von den Autoren lektoriert und gelayoutet. Mörk Borg Feretory ist die erste offizielle Publikation, die in diesem Rahmen entstand und das Grundspiel auf gelungene Weise erweitert.

„Death, devilry and strange, forbidden knowledge“ das verspricht der jüngst erschiene Band Mörk Borg Feretory (Feretory bedeutet auf Deutsch so viel wie Reliquienschrein). Das liebevoll gelayoutete Heft steckt voll interessanter Zusatzmaterialien zum Grundspiel. Das Besondere daran: Bis auf wenige Ausnahmen wurden diese Inhalte von kreativen Spieler*innen selbst beigesteuert. Im Rahmen des Programms Mörk Borg Cult, das Fans zur Beteiligung einlädt, wurden diese von den Autoren Pelle Nilsson und Johann Nohr mit einem für das System typischen, liebevoll-düsteren Layout versehen. So bietet das kleine, gelbe Heft nicht nur eine Menge Anregungen, Hintergrundmaterialen, zwei Abenteuer und vier neue Klassen, sondern ist – ebenso wie das Grundregelwerk – auch ein Augenschmaus für all diejenigen, die vom Düsteren und Korrumpierten fasziniert sind. In diesem Artikel möchte ich einen Überblick darüber geben, was die erste Publikation des Mörk Borg Cults zu bieten hat.

Jagen, Töten, Essen – Spielhilfen und Anregungen

Feretory bietet insgesamt acht Spielhilfen bzw. Zusatzmaterialien, die vorrangig dabei helfen, das Spiel zu bereichern und die öden, dem Untergang geweihten Lande auszuschmücken. Sollte die SL entscheidungsmüde sein, kann – wie auch im Grundregelwerk – alles ausgewürfelt werden.

Zunächst wäre da der „Monster Generator“, der es ermöglicht, ein Monster auszuwürfeln. Wie sieht die widerwärtige Kreatur aus? Welche Werte hat sie? Was ist ihr Ziel und welches sind ihre Grundeigenschaften. Einige zufällige Würfe ergeben z. B. Folgendes (aus dem Englischen übersetzt): Es nähert sich eine Kreatur, die offensichtlich einst ein Mensch war. Ihr Körper ist von langen Stacheln durchsetzt, mit denen sie alles aufspießen kann. Sie absorbiert alle Geräusche um sich herum und wandelt somit in unheimlicher Totenstille. Das Ziel des Wesens ist, eins mit einer anderen Kreatur zu werden. Dabei bewegt sie sich entsetzlich schnell.

Roads to Damnation

Die Spielhilfe „Roads to Damnation“ bietet einen Überblick darüber, wie lange die Reisen zwischen verschiedenen Orten der Spielwelt dauern. Zudem können der Zustand der Straße, Zufallsbegegnungen und -ereignisse ausgewürfelt werden. Beispielsweise reist die Gruppe auf einer heillos verfallenen Handelsstraße, als das Wetter umschlägt und Grabeskälte über sie hereinbricht. Als sie die Straße verlassen, stoßen sie nach einem halben Tag auf den von Flechten überwachsenen Tempel eines vormenschlichen Gottes. Vielleicht werden sie auch vom „Schwarzen Salz“ („The Black Salt“) überrascht, einem im wahrsten Sinne des Wortes ätzenden Wetterphänomen, das auch schon mal das Fleisch von den Knochen frisst.

Wenn die Truppe auf der Reise Hunger hat und auf die Jagd geht, hilft hier „Eat Prey Kill“.

Je nach Landstrich werden diverse (meist wenig appetitliche) Kreaturen vorgestellt. Ebenso kann ausgewürfelt werden, was bei der Jagd schiefgehen kann und was man im Magen der Beute findet: Auf dem Friedhof „Graven Tosk“ könnten die Charaktere auf eine „Meatroach“ stoßen, eine delikate, aber giftige Riesenschabe. Leider stellt sich heraus, dass sie untot ist und von einem irren Nekromanten kontrolliert wird.

Die Tabellen „d100 Items and Trinkets“ und „The Tenebrous Reliquary“ bieten neue Gegenstände, die gefunden werden können, wie Daumenschrauben, eine Flasche mit rotem Gift, die Zunge eines Tyrannen oder den Kessel der Lügen. Diese Dinge sind entweder vollkommen unbrauchbar oder aber nützlich, dafür fast samt und sonders gefährlich. Neu sind auch die „Tablets of Ochre Obscurity“, die Zugang zu besonders mächtigen Zaubern gewähren, auch wenn diese – wie alle Zauber – natürlich fehlschlagen können.

The Tenebrous Reliquary – Plunder und Gefährliches

Mit „The Grey Galth Inn“ kann man Essensangebot und Gastwirtin einer heruntergekommenen Taverne auswürfeln. Außerdem wird ein Würfelspiel vorgeschlagen (ebenso wie die wenig vertrauenserweckenden Mitspielerinnen). Was kann es wohl Schöneres geben, als eine schwarze Suppe mit gebackenem Schweinekopf zu essen, während man von demder Wirtin (mit Hakenhand) erfährt, dass vor Kurzem eine gefährliche Räuberbande wiedererweckt wurde.

Es handelt sich hierbei wohlgemerkt samt und sonders um Material, das nicht unbedingt notwendig ist, aber helfen kann, die Spielwelt jenseits des bloßen Dungeon-Crawls lebendiger zu gestalten. Das Auswürfeln bringt auch stets die Gefahr mit sich, dass sich unter Umständen kuriose Kombinationen oder unpassende Situationen ergeben.

Dunkle Kulte und widerliche Goblins – Zwei Abenteuer

Mit „The Death Ziggurat“ und „The Goblin Grinder“ gibt Feretory der Spielleitung zwei von Fans verfasste Abenteuer an die Hand. Hinzu kommt als Beigabe das sehr simple Solo-Abenteuer „Dark Fort“, mit dazugehörigen Charakterblättern, bei dem man sich als Abenteurer*in mit dem Namen Kargunt durch eine dunkle Festung voller Monster und Fallen kämpft.

In „The Death Ziggurat“ machen sich die Charaktere im Auftrag einiger Mönche auf denWeg, um den Dämonen Akünh zu besiegen und zu verhindern, dass sich dessen Einfluss auf die ohnehin schon sterbende Welt ausbreitet. Dabei stößt man in einer unheiligen Paralleldimension nicht nur auf eben jenen Dämonen, sondern auch auf dessen verfaulende Priester*innen.

„The Goblin Grinder“ bietet die Möglichkeit, die Straßen der Stadt Galgenbeck von einer unerfreulichen und infektiösen Goblin-Plage zu reinigen. Dabei erhält man ‚Hilfe‘ vom Alchemisten Nagel Krat, der allerdings ganz eigene Pläne verfolgt. Beide Abenteuer bieten dabei alle notwenigen Informationen, um sofort loslegen zu können.

Verlorenen Seelen – Neue Klassen

Feretory bereichert das Grundspiel mit vier neuen Charakterklassen, die wie im Grundbuch auf je einer Seite zusammengefasst sind:

„The Cursed Skinwalker“, mit der Fähigkeit die Gestalt zu wandeln und viele Tierformenanzunehmen „The Pale One“, eine außerweltliche Wesenheit mit seltsamen Fähigkeiten „The Dead God’s Prophet“, von der beeindruckenden Präsenz eines sterbenden Gottes erfüllt „The Forlon Philosopher“, dessen Verstand an der korrumpierten Welt zerbrach

Leider fällt es schwer, die relativ vagen Klassen präziser zusammenzufassen, da deren spielerische und regeltechnische Eigenheiten – vielleicht mit Ausnahme des Gestaltwandlers – nicht sehr deutlich werden.

Erscheinungsbild

Das kleine Heft, dessen Umschlag im Gelb des Grundregelwerks gehalten ist, wirkt – ohne glänzenden oder kartonierten Einband – bewusst „undergroundig“ bzw. wie eine inoffizielle Publikation. Vom Cover starrt dem Betrachter ein gehörnter Schädel mit glitzernden Augen (im Print) entgegen. Der Schriftsatz und die aufwendigen und liebevollen Illustrationen erinnern an die Ästhetik von Doom-, Black- und Death-Metal-Alben. Ganz allgemein lässt sich über das Erscheinungsbild von Mörk Bork Feretory das Gleiche sagen wie über das der Grundregeln, und es verdient ebenso viel Lob. Nachdem man sich mittlerweile bereits an die Art des Layouts gewöhnen konnte, ist auch die Übersichtlichkeit keinerlei Problem mehr, und man findet sich schnell zurecht. Durch recht kleine Schrift, Nutzung der Umschlag-Innenseiten und der Rückseite des Heftes, wird trotz aufwendiger Bebilderung kein Platz „verschwendet“.

Auf der Innenseite des vorderen Umschlags befindet sich ein Inhaltsverzeichnis. Die Zusatzinhalte wechseln sich mit den beiden Abenteuern ab. Ganz am Ende des Regelwerkes sind die vier neuen Klassen zu finden. Die Orientierung im Regelwerk ist somit einfach und problemlos möglich. Zur Verwendung der Erweiterung wird das Grundregelwerk benötigt, da bisweilen Tabellen referenziert werden.

Bonus/Downloadcontent

Einige der in Feretory enthaltenen Materialien lassen sich auf der Homepage von Mörk Borg kostenlos herunterladen.

Fazit

Mörk Borg Feretory vereint einige der besonders herausragenden Fan-Ideen und einige neue Ideen der Autoren in einem schön aufbereiteten kleinen Band. Dabei sind sowohl Abenteuer als auch Hintergrundinformationen eine hübsche Bereicherung zum Grundspiel. Ein Must-Have ist das Buch auf rein inhaltlicher Ebene dabei nicht. Die neuen Klassen wirken – bis auf den „Cursed Skinwalker“ – wenig konkret und eher beliebig. Das Buch an sich ist indes wiederum schön aufbereitet und stellt somit ebenso wie das Grundregelwerk ein visuelles Kleinod im Rollenspielregal dar.

Zusammengefasst kann Feretory also all denjenigen empfohlen werden, die Fans des Systems sind. Diese werden große Freude bei der Lektüre der Ideen haben und Anregungen daraus ziehen, wie man den armen Verdammten, die die Charaktere sind, das Leben noch schwerer machen kann.



Wertung:
[4 von 5 Sternen!]
MÖRK BORG CULT: FERETORY
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How to Host a Dungeon 2nd Edition
Verlag: Planet Thirteen
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 02/18/2021 04:22:29

https://www.teilzeithelden.de/2021/02/17/rezension-how-to-host-a-dungeon-demoversion-tony-dowler/

Dungeons üben eine unheimliche Faszination aus. Geheimnisvolle Kavernen, gefährliche Höhlen und tiefe Grotten wollen erkundet werden. Die meisten von uns werden schon als Kinder den einen oder anderen Dungeon gezeichnet haben. How to Host a Dungeon von Tony Dowler beschäftigt sich mit dem Zeichnen von Dungeons auf spielerische Weise.

Was ist das für ein Spiel? How to Host a Dungeon von Tony Dowler ist ein Solospiel, das sich mit der Erstellung und der Geschichte eines Fantasydungeons beschäftigt. Man startet mit einer mehr oder weniger ebenen Oberfläche in der grauen Vorzeit vor der Ankunft jedweder Zivilisation. Im Laufe des Zeichnens durchläuft dieser Platz mehrere Zeitalter, in welchen Völker ankommen und wieder verschwinden, Schätze und andere wertvolle Materialien über den Plan verteilt werden und langsam die Zeit voranschreitet.

Währenddessen halten die Zeichnenden auf einem Blatt Papier (oder einer beliebigen anderen Zeichenoberfläche) die Geschehnisse auf dem Plan fest. Im Laufe der Zeit und mit dem Ankommen und Verschwinden neuer Völker und Monster entsteht so nicht nur ein Dungeon, sondern sogar eine mehr oder weniger plausible Hintergrundgeschichte für diesen, welcher dann von einer wagemutigen Heldengruppe gestürmt werden kann. Oder man spielt How to Host a Dungeon lediglich zum Zeitvertreib, der sich selbst genügt.

Um sein Verlies zu bauen, benötigt man lediglich Papier, ein paar Stifte am besten in unterschiedlichen Farben und mehrere Würfel, die jeder Rollenspielerin sowieso vorrätig haben sollte.

The Primordial Age

Der Dungeon am Beginn seines Lebenszyklus. Wir beginnen das Spiel mit dem Zeichnen der Grobkarte. In dieser Phase entstehen die ersten Höhlen, es tauchen Schätze und unterschiedliche Biome auf, welche dem Dungeon seine Charakteristika verleihen.

Die erste Karte zeigt den Dungeon am Ende des Primordial Age. Es wird für alle Schichten ein bestimmtes Merkmal erwürfelt, und zwar in diesem Falle für die Oberfläche ein weitläufiges, von Pilzen bewachsenes Biom. Ob diese Pilze nun baumhoch wie in Vvardenfell sind oder doch normal groß und nur der Dungeon und seine Bewohner winzig, wird sich im Lauf der nächsten Zeitalter zeigen.

Neben üblichen Untergrundbiomen wie den Magmagrotten und einer Kaverne hat sich in einer großen Höhle eine kleine Alien-Zivilisation eingenistet. Woher sie stammt und was ihre Absichten sind, ist nicht klar. Aber vielleicht entwickelt sich ihre Geschichte im Laufe des Geschehens ja noch weiter.

Wie man an dieser ersten Karte bereits erkennen kann, ist es absolut nicht notwendig, gut zeichnen zu können. Solange die beabsichtigte Umgebung erkennbar ist, erfüllt die Zeichnung ihren Zweck. Und gerade bei einem Kritzelspiel wie How to Host a Dungeon sollte man Freude daran haben, die eigene Zeichnung immer wieder an die neuen Umstände anzupassen und neu zu zeichnen.

Age of Civilization

Die Ankunft der Zwerge. Sobald die graue Vorzeit vorüber ist, wird es Zeit für die ersten zivilisierten Völker. Während die Vollversion von How to Host a Dungeon eine Vielzahl an interessanten Optionen für untergrundbewohnende Zivilisationen bietet (unter anderem Aliens, Zauber*innen, Dämonen und Tiefelfen), bietet uns die Demoversion „nur“ die klassischen Zwerge als erste Zivilisation in unserem Dungeon. Dieses Volk wird auch in der Vollversion für einen ersten Spieldurchlauf empfohlen.

Die Zwerge beginnen ihre Reise in diesem Dungeon, indem sie von der Seite der Karte kommen und ihre ersten vier Kammern graben. In diese Kammern darf derdie Zeichnende nun insgesamt zwei Symbole für Bevölkerung und Schätze setzen. Jede Runde wird nun ein Punkt Bevölkerung und Reichtum addiert. Mit jedem Punkt Bevölkerung kann derdie Zeichnende neue und interessante Räume an die existierenden Räume setzen. Auf diese Art und Weise wächst der Dungeon der Zwerge langsam, aber stetig und organisch. Mit den Zwergen hat man sogar die Auswahl, in welche Richtung man sich entwickeln möchte. Sollen die Zwerge eine gewaltige Thronhalle ausheben? Sollen sie Kraftwerke und nahezu unmögliche Maschinen bauen? Oder sollen sie zu tief graben? Je nachdem, welchen der drei angebotenen Entwicklungspfade man wählt, ändert sich auch das Schicksal unserer kleinen Zwergengemeinde.

Die Demoversion bietet uns „nur“ die klassischen Zwerge als erste Zivilisation in unserem Dungeon an. Manche Optionen auf der Bauleiste verändern die Umgebung des Dungeons radikal. In unserem Beispiel entschied ich mich für die unterirdischen Verbindungswege, ein die gesamte Breite des Plans umspannendes Schienennetz – soll noch jemand sagen, so etwas gäbe es nur in der Warhammerwelt. Da es auf der passenden Höhe lag, entschied ich, dass die Zwerge die wertvollen Edelsteine in der Mitte der Karte entdeckt und abgebaut haben sollten. Das hinterließ natürlich eine gewaltige Höhle, welche es notwendig machte, dass die Zwerge ihr Schienennetz mit einer enormen unterirdischen Brücke verbanden. Aus diesen Faktoren ergab sich ganz natürlich eine interessante Konstruktion, auf welche die Charaktere im Laufe eines Abenteuers treffen könnten.

Sobald die Bevölkerung die Zahl 10 überschreitet, bricht die Zivilisation zusammen. Dieses Schicksal teilen die Zwerge mit allen anderen ersten Zivilisationen bei How to Host a Dungeon. Je nach den gewählten Bauten kann man bei den Zwergen zwischen „Sie haben zu tief gegraben“, „Bürgerkrieg“ und „industrieller Unfall“ wählen – jedes Ereignis für sich ist eine hochinteressante Geschichte, die in einem für die Spieler*innen zu erkundenden Dungeon Spaß machen sollte.

Das Zwergenreich am Ende seines Lebenszyklus. Sobald das Zeitalter der Zivilisation zu seinem Ende kommt, weil die Bevölkerung genug gewachsen ist, werden die entsprechenden Änderungen auf dem Plan vermerkt. Das können in unserem Fall beispielsweise ein Schlachtfeld aus dem Bürgerkrieg oder Verwüstungen aufgrund einer industriellen Katastrophe sein. Sollten die Zwerge zu tief gegraben haben, würde man einen Schacht bis tief hinunter zum Rand des Plans zeichnen. Da sich unter Bar Emmon, unserer Festung, aber bereits die Magmakavernen befanden, zog ich den zwergischen Bürgerkrieg als Untergangsszenario vor.

Age of Monsters

Die Monster kommen! Nach der Zivilisation folgen die Monster. In dieser Phase dringen Ungeheuer aller Art in den Dungeon ein, machen ihn zu ihrer Heimat und kämpfen möglicherweise gegeneinander.

Zu Beginn dieses Zeitalters werden aus einem Deck drei Monster gezogen. Dies sind die Neuankömmlinge. Die Auswahl bei diesen Unholden reicht über Skelette, Vampire, Rattenmenschen, Zwerge, Nomaden, Oger und viele andere Arten von unschönen Herausforderungen. Diese Neuankömmlinge werden zufällig über den Plan verteilt, wobei es bei manchen Monstern spezielle Platzierungsregeln gibt.

In unserem Beispiel siedelten sich ein großer Wurm, ein Stamm Troglodyten und eine Gemeinschaft Ritterinnen an. Während sich die Ritterinnen nur an der Oberfläche ansiedeln dürfen, wäre es im Nachhinein vielleicht stimmiger gewesen, wenn der große Wurm und die aquatischen Troglodyten ihre Plätze getauscht hätten – während der große Wurm überall im Dungeon auftauchen kann, wären die Troglodyten an einem großen See wahrscheinlich wesentlich besser aufgehoben. Andererseits sorgt dieser Umstand wieder für großes Konfliktpotential zwischen den beiden Fraktionen und muss daher per se nichts Schlechtes sein.

RitterWurmTroglodyten Jedes dieser Monster durchlebt nun einen eigenen Lebenszyklus, ganz ähnlich der ersten Zivilisation in unserem Dungeon. Ob diese Monster nur eine kurze Lebensspanne haben oder sie über weite Strecken des Spiels den Dungeon dominieren, bleibt den Würfeln und den Entscheidungen der Spielenden überlassen. Im Laufe ihres Lebenszyklus werden sie stärker oder schwächer. Sobald ein Monster eine gewisse Stärke überschreitet, hat es den Dungeon unter seine Kontrolle gebracht und wird nun zum Antagonisten im Age of Villainy.

Age of Villainy Das Monster beziehungsweise die Fraktion, die in diesem Zeitalter die Kontrolle über den Dungeon gewonnen hat, wird nun entweder zur Horde oder zu einem Imperium, je nach Monster und Ausgang der Würfel. Als Horde oder Imperium folgt nun ein letzter Lebenszyklus, welcher die weiteren Geschehnisse in der Endphase des Spiels beschreibt. Je nachdem, zu was das stärkste Monster geworden ist, werden im Dungeon noch Konstruktionen gebaut, Expansion betrieben und der Aufstieg an die Oberfläche zur Unterwerfung der Welt (was denn sonst?) vorbereitet.

Und das war schon How to Host a Dungeon in seiner Kurzfassung.

Was finde ich in der Vollversion? Im Gegensatz zur Demoversion umfasst die Vollversion mehr Artwork, mehr Monsterkarten und mehr Zivilisationen, die den Dungeon besiedeln können. Dazu gibt es noch weitere Regeln zu Landschaften und dem Bau des Dungeons.

Fazit Dungeons üben seit den Urzeiten des Hobbies Rollenspiel eine enorme Faszination auf die meisten Rollenspieler*innen aus – nicht umsonst beschäftigt sich mit Dwarf Fortress wohl eines der komplexesten Computerspiele überhaupt mit dem Schicksal einer Zwergengemeinschaft in ihrer Wehrstadt. Die Freude, einen Dungeon zu Papier zu bringen, ist in diesem kleinen Solospiel sehr schön auf den Punkt gebracht. Man darf keinesfalls erwarten, hier so etwas wie einen Generator für Zufallsdungeons vor sich zu haben. Auch werden sich die so erschaffenen Dungeons relativ bald wiederholen. Überdies ist die Seitenansicht des Spiels hinderlich, wenn man detailliertere Ansichten eines bestimmten Ortes anfertigen möchte, da How to Host a Dungeon lediglich grobe Übersichtskarten vorsieht.

Trotz aller erwähnten negativen Punkte kann man aber sehr wohl feststellen, dass dieses kleine Solospiel einen Schatz an Kreativität und Möglichkeiten bietet. Es wird keinen fertigen Dungeon auf die Karte zeichnen, aber es bietet eine Fülle an Ideen und Hinweisen für jeden kreativen Dungeonbauerin. Heraus kommt also kein fertiges Produkt, sondern eine Halde an Inspiration.

Und was könnte man mehr erwarten?



Wertung:
[4 von 5 Sternen!]
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Princes of Midnight
Verlag: Alexander Lenz
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 02/02/2021 09:44:28

https://www.teilzeithelden.de/2021/02/01/rezension-princes-of-midnight-im-auftrag-der-dunklen-seite/

Sie sind furchtlos, kampfstark und… untot: In Princes of Midnight müssen die Spielerinnen im Namen ihrer dunklen Meisterinnen als Skelette, Zombies und Geister auf Seelenjagd gehen. Das knappe Regelwerk verspricht eine Mischung aus Dark Souls, Dungeon Keeper und schwarzem Humor. Ob das stimmt, erfahrt ihr hier.

Wo bei anderen mit dem Tod die Verpflichtung endet, fängt bei Princes of Midnight die Arbeit für die dunklen Gebieterinnen erst an. Mithilfe dunkler Kräfte wurde die Schar an Skeletten, Zombies und Geistern zurückgeholt und muss nun im Gegenzug stetig neue Seelen sammeln. Diese finden sich in den unschuldigen Dorfbewohnerinnen der Umgebung, die eigentlich kein Problem darstellen sollten – wenn da nicht die Lichtgestalten, besondere Held*innen der Orte, wären, welche sich geschworen haben, Untote zu bekämpfen. Das System verfügt über eine simple Oneshot-Fassung an Regeln, wer Spaß am Morden und Brandschatzen für dunkle Mächte hat, kann aber auch eine längere Kampagne mit zusätzlichen Optionen inklusive Dungeon-Bau planen.

Für dendie Meisterin wird gerne getötet und gehortet © grandfailure

Die Spielwelt Allgemein kann für Princes of Midnight eine eigene Fantasy-Welt erstellt werden, in der die Charaktere ihr Unwesen treiben. Für diejenigen, die trotzdem eine bestehende Welt suchen, wird im Regelwerk ein Setting beschrieben, dass sich an der Geschichte rund um die CIV4-Mod Fall from Haven 2 bedient. Hier hat der dunkle Meister Najeesh, Herr der Toten, das Ziel, alle Lebenden niederzustrecken und Herrscher des Landes zu werden. Für die Welt finden sich einige Beschreibungen verschiedener Orte, die in Missionen erfolgreich geschliffen werden können, sowie eine Anzahl an Lichtgestalten mitsamt Stärken und Schwächen.

Die Regeln Für eine Runde werden zwar nur ein paar W6 benötigt, im Gegensatz zu anderen Systemen ist hier aber die Farbe ein relevanter Faktor: Die Regeln unterscheiden zwischen hellen und dunklen Würfeln. Natürlich könnt ihr auch andere Farben oder Aufteilungen (wie beispielsweise echte Würfel versus Online Würfelbots) verwenden, sofern ihr die Würfel voneinander unterscheiden könnt. Bei Würfen können mehrere Würfel gewährt werden, um einen Würfelpool anzusammeln, gezählt wird aber immer nur der höchste Wurf. Hier zeigt sich auch der Unterschied: Zeigt ein heller Würfel die höchste Zahl, passiert den Charakteren unabhängig vom Ergebnis nichts, bei einem dunklen Würfel hingegen können sie Verfall ansammeln. Verfall steht für die Treffer, die ein Untotes Wesen einstecken kann, bevor es zerstört wird.

Aber in welchen Situationen wird überhaupt gewürfelt? Das lässt sich auf drei Optionen herunterbrechen: Suche, Kampf und Risiko. Suchwürfe dienen dazu, Orte und Objekte zu finden und verwenden nur helle Würfel, können aber auch Probleme in Form von Hindernissen ansammeln. Kampfwürfe verwenden nur dunkle Würfel, da hier schnell Schaden für die Untoten anfallen kann. Ein Kampfwurf erfolgt nur, wenn die Bedrohung berechtigt ist, beispielsweise durch ein gefährliches Raubtier oder eine Lichtgestalt, die Kämpferinnen für Licht und Gerechtigkeit in dieser Welt. Alle anderen Situationen, in denen gewürfelt wird, werden durch Risiko-Würfe gelöst. Hier kann ein Würfelpool an dunklen wie hellen Würfeln angesammelt werden: Ein weißer Würfel, wenn ein besonderes Talent dazu passt, sowie ein schwarzer Würfel, sofern die Charaktere riskieren wollen, für den Erfolg der Aktion Schaden zu nehmen. Es darf ein weiterer weißer Würfel benutzt werden, wenn im Gegenzug ein unschlagbares Angebot angenommen wird – der agierende Charakter akzeptiert in dem Falle von vornherein ein bestehendes Problem, unabhängig, ob der Wurf gelingt oder nicht. Unschlagbare Angebote kommen von Spielleitung oder anderen Spielerinnen, nie von der agierenden Person.

Zur Veranschaulichung ein kurzes Beispiel: Hargal, das Skelett möchte gerne eine hohe Mauer hinaufklettern und muss einen Risikowurf meistern. Leider besitzt er kein besonderes Talent, weil er sich als Gelehrter mehr mit Geschichten und Kräutern auskennt, er bekommt daher keinen hellen Würfel dafür. Da er die Chance haben will, es zu schaffen, ist er bereit, Leib und Seele zu riskieren, und erhält dafür einen dunklen Würfel. Außerdem lässt er sich auf ein unschlagbares Angebot aus der Runde ein, dass seine Aktion auf jeden Fall die Wachen im nahegelegenen Turm alarmieren wird, und nimmt sich einen hellen Würfel. Dann wird gewürfelt, eine helle 6 und eine dunkle 3, also ein Erfolg. Hargal schafft es unbeschadet hoch, auch wenn nun mehr Wachen auf dem Weg sind. Hätte er dagegen eine helle 3 und eine dunkle 6 gewürfelt, wäre er ebenfalls die Mauer hinaufgelangt, hätte dabei aber Verfall angesammelt.

Charaktererschaffung Für Oneshots bietet Princes of Midnight einen eigenen, simpleren Charakterbogen an, der für einen schnellen Spielstart verwendet werden kann. Spielerinnen können ihren Charakter innerhalb von fünf Minuten zufällig auswürfeln oder aber selbst entscheiden, welche Art an untoten Dienerinnen sie sein möchten. Hervorzuheben ist hier die Zauberey, die grundsätzlich allen Charakteren offensteht und ein paar nützliche Fähigkeiten bietet.

Strahlende Heldinnen sind bei Princes of Midnight die Feinde, die es zu besiegen gilt. Strahlende Heldinnen sind bei Princes of Midnight die Feinde, die es zu besiegen gilt. © nejron Allerdings fordert die Zauberey einen Preis: Nicht-magische Charaktere beginnen mit einem Verfall und können im Spiel maximal sechs Verfall ansammeln. Für jeden Spruch, den sich ein Charakter aneignet, erhöht sich aber auch der eigene Verfall automatisch permanent um einen Punkt. Einen Zauber einzusetzen verlangt immer einen dunklen Würfel, was für weiteren Verfall sorgen kann. Häufiges Zaubern kann mit etwas Würfelpech daher schnell zum kurzfristigen Ableben des Charakters führen.

Die knappe Auswahl an Fertigkeiten hilft, dass innerhalb der Gruppe schnell entsprechende Spezialisierungen ausgefüllt werden können. Die Stärke der Oneshot-Charaktere bleibt insgesamt überschaubar. Wer dagegen länger am Ball bleiben will, indem er die Kampagnenoption auswählt, bekommt weitere Ergänzungsoptionen für den eigenen Charakter und kann beispielsweise besondere Gegenstände oder gesammelte Seelen notieren. Außerdem können wiederkehrende Gegner als Lichtgestalten festgehalten werden, die als Nemesis den Charakteren das Unleben schwer machen.

Spielbarkeit aus Spielleitungssicht Nach ein paar Oneshots lässt sich festhalten, dass die Regeln übersichtlich festgehalten sind und nach einer kurzen Einarbeitung gut verwendet werden können. Auch die Vorbereitung läuft schnell, da die Missionsziele für die Untoten eher schlicht ausfallen: Findet diesen Ort, tötet die Menschen, kehrt mit Seelen zurück. Das macht es gerade für Einsteiger*innen interessant, die sich als Spielleitung ausprobieren möchten. Da für die Rezension keine längere Kampagne gespielt werden konnte, bleibt es jedoch unklar, wie langfristig eine Motivation für eine längere Kampagne besteht. Die Missionen und auch die Mechanik des Seelensammelns, welche im Vorwort des Regelwerks direkt als Anlehnung an die Dark Souls Reihe genannt wird, lassen insgesamt ein Videospielgefühl aufkommen. Das kann für Fans dieser Art von Spielen als Abwechslung zum nächsten Game-Run verlockend sein, während der Rest eher abgeschreckt werden könnte.

Spielbarkeit aus Spielerinnensicht Für Spielerinnen, die sonst auf der Seite des Lichts agieren, bietet Princes of Midnight eine deutliche Abwechslung: Anstatt sich über Probleme der Moral den eigenen Kopf zu zerbrechen, dürfen hier die Untoten nach Lust und Laune fremde Köpfe zerbrechen. Gerade Fans von Gore-Beschreibungen und schwarzem Humor kommen hier auf ihre Kosten. Die Regeln sind nach einer kurzen Einübung übersichtlich für Einsteigerinnen. Um ein Stocken im Spielverlauf zu verhindern, lohnt es sich, die Kurzzusammenfassungen zu den drei Hauptwürfen den Spielerinnen zur Verfügung zu stellen.

Gleichzeitig sollte den Spielenden aber auch klar sein, dass hier und da Abstriche zur üblichen Runde gemacht werden müssen. Neben dem fehlenden sozialen Spiel ist auch das Endkampfsystem (wenn es denn richtig ausgespielt wird) leider etwas grob und undynamisch geraten. Anzusagen, welche einzelne Aktion eines Charakters den Kampf wenden soll, bringt in einem gemeinsamen Würfelpool nicht viel, wenn der entsprechende Wurf mechanisch nicht ausgewählt wird. Auch die Regel, dass Rüstung als einmaliger Schutz verwendet werden soll, bevor sie verfällt, kann als einziges Heilkonzept nicht wirklich bestehen.

Spielbericht Das Erzählspiel gibt in dem gesteckten Rahmen genug Möglichkeiten, frei agieren zu können und gemeinsam am Tisch schnell eine interessante Geschichte zu stricken. Zur Veranschaulichung folgt hier ein Bericht über einen Testabend im Auftrag des Meisters Najeesh. Nachdem der ertrunkene Priestergeist Suul, die Zombiediebin Korva und der Geist des Gardisten Ivar ihre erste Aufgabe erfüllt hatten, hatte der Meister für sie direkt die nächste Mission. Zusammen mit Fiona, dem Skelett einer Adelstochter, sollten sie in die Zeltstadt Goldhain reisen, die einen wichtigen Handelsknotenpunkt im Königreich bildete. Dort sollte sich Sir Luther, ein arroganter Paladin, aufhalten, den der Meister zu einem Todesritter umwandeln wollte. Ihre Mission sah vor, Sir Luther zu finden, ihn zu töten und seinen Körper zurück zum Meister zu bringen.

Kaum aus dem Verlies entlassen, folgten die Untoten aber lieber ein paar schwach bewaffneten Händlern. Einerseits, um ihre Seelen zu erlangen, andererseits, um eine passende Verkleidung zu sammeln, mit der die beiden Damen ohne Geisterform unerkannt hineinschleichen konnten. Nach ein paar guten Suchwürfen fanden sie den Weg nach Goldhain und erreichten es in der Nacht. Sir Luther befand sich gerade in einer Taverne. Während Korva versuchte, sein Bier zu vergiften und dabei in einen kleinen Kampf mit dem Wirt im Keller geriet, tat Zuul so, als ob er die verstorbene Schwiegermutter sei, deren Geist Sir Luther auffordere mehr zu trinken, um ihn zu schwächen. Leider war auch diese Tat nicht von Erfolg gekrönt und so begann der Paladin sogar auszunüchtern.

Fiona und Ivar dagegen, die draußen Wache stehen sollten, begannen lieber damit, die Stadt anzuzünden und Leute zu massakrieren, um so genug Panik und Verwirrung zu erzeugen. Nachdem Sir Luther dies bemerkte, stürmte er sofort hinaus, was die vier Untoten nutzten, um ihn von allen Seiten zu attackieren. Auch wenn sie während der Mission oft Pech gehabt hatten, war das Glück nun auf ihrer Seite: bereits nach einer Runde konnte Sir Luthers Kampfkraft von 12 erreicht werden. Während die Stadt im Chaos versank, sammelten sie schnell den Körper sowie ein paar Seelen ein und machten sich auf den Rückweg zu ihrem Meister. Der war etwas wütend darüber, dass sie ihn bezüglich des Ablaufes anlügen wollten, letztlich aber zufrieden mit seinen Diener*innen.

Erscheinungsbild Das Regelwerk ist nur in PDF-Form erhältlich und sehr schlicht und ordentlich aufgebaut: Zu Beginn werden die Regeln auf fünf Seiten übersichtlich erklärt und pro Abschnitt mit einer Kurzzusammenfassung erweitert. Positiv ist auch der Index am Ende, damit auch während des Spiels schnell Rückfragen geklärt werden können. Was bei der Ordnung aber übergangen wird, sind Zeichnungen oder Bilder im Regelwerk, die nur marginal verwendet werden und meist nicht über das Nötigste hinausgehen. Natürlich darf bei einem kleinen Projekt wie hier keine Vielfalt an Zeichnungen erwartet werden, da dies vermutlich den preislichen Rahmen gesprengt hätte. Trotzdem ist es schade, nicht wenigstens hier und da ein paar mehr Totenköpfe oder ähnlich passende Skizzen als Auflockerung zu finden.

Wo das Bild fehlt, tobt sich der Autor stattdessen kreativ und vor allem farblich im letzten Kapitel aus: Hier findet sich ein Spielbeispiel einer möglichen Runde in Dialogform, welche als kleine Geschichte gelesen werden kann. In dieser versucht Spielleiter Johannes mit seinen Spieler*innen Michael, Thomas, Anna und Tina die im Buch enthaltene Einführungsmission zu spielen und erklärt ihnen nebenbei die wichtigsten Regeln. Wer als Spielleitung nach einem Testdurchlauf sucht oder seine Einstiegsrunde vergleichen will, findet hier eine nette Dreingabe, unterfüttert mit einigen Memes als Auflockerung. Wer hingegen ein Problem mit „typischen Klischees von Rollenspielrunden“ hat, kann dieses Kapitel aber auch ruhigen Gewissens auslassen.

Fazit Bei Princes of Midnight handelt es sich um ein solides Erzählspiel, bei dem die Spielerinnen in einer dunklen Fantasy-Welt ohne Gewissensbisse für die Dunkelheit kämpfen und morden dürfen. Das System ist einfach genug für Neu-Einsteigerinnen ins Hobby und bietet genug Struktur, um schnell in die Rolle untoter Dienerinnen zu kommen. Aspekte wie eindeutige Missionsziele, das Sammeln von Seelen oder der Ausbau des Dungeons verweisen eindeutig auf die Inspirationsgeber Dark Souls und Dungeon Keeper. Für Freundinnen solcher Mechaniken und des schwarzen Humors bietet sich hier eine angenehme Abwechslung für einen Abend.

Abseits davon sieht es allerdings mager aus: Soziale Interaktionen finden weitestgehend nur in der Gruppe statt, der Würfelablauf kann schnell monoton werden und Kämpfe sind weniger taktisch als glücksbasierend. Es bleibt die Frage, inwiefern die Langzeitmotivation nach einem Oneshot bestehen kann, ohne sich wie ein Grind anzufühlen. Zuletzt seien noch die sporadisch auftretenden Zeichnungen und Bilder erwähnt, von denen das Regelwerk ruhig mehr hätte vertragen können. Für den günstigen Preis bietet sich Princes of Midnight vor allem für Genre-Fans des Dark Fantasy an, für alle anderen ist das System nur mäßig zu empfehlen.



Wertung:
[3 von 5 Sternen!]
Princes of Midnight
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Nibiru Corebook
Verlag: Araukana Media
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 01/31/2021 05:37:58

https://www.teilzeithelden.de/2021/01/31/ersteindruck-nibiru-araukana-media-vergessen-in-einer-welt-ohne-himmel/

Seit vielen Zyklen dreht sich die Station langsam in der Schwärze des Alls. In ihren Eingeweiden, eingezwängt zwischen sich selbst erhaltenden Maschinen unbekannter Herkunft: gewaltige Städte mit Menschen wie dir, seit Generationen aufgewachsen in einer Welt ohne Himmel, verbunden nur durch labyrinthische Gänge, und Schächte und Wartungstunnel. Menschen ohne Erinnerungen.

Wie kann man sich das Leben im Inneren einer gewaltigen Raumstation vorstellen, in der es keinen Himmel gibt, mit Städten in gewaltigen Domen aus Stahl, begleitet vom ständigen Wummern der Maschinen und rhythmischen Flackern der Elektrik? Welche Arten von Gesellschaften könnten hier entstehen, wie leben sie und was treibt sie um?

Die Welt von Nibiru basiert im Wesentlichen auf dieser Grundidee, inspiriert von Filmen wie 2001: A Space Odyssey und Alien sowie den Ringworld-Romanen von Larry Niven oder auch der jüngst verfilmten The Expanse–Buchreihe. Zusätzlich zur ungewöhnlichen Umgebung werden die Spieler:innencharaktere von fremdartigen Erinnerungen heimgesucht, die im Mittelpunkt dieses Erzählspiels stehen.

Federico Sohns, der bisher an Fallout-Rollenspielbüchern mitgearbeitet hat, hat mit dem 2019 veröffentlichten Kickstarter-Projekt in seinem ersten, eigenen Rollenspiel seine Vision einer außergewöhnlichen Science-Fiction-Welt verwirklicht.

Die Spielwelt Die vielen Hohlräume der namensgebenden Raumstation Nibiru, eine mehrere tausend Kilometer durchmessende, im Weltall kreisende Scheibe, bilden die gesamte Welt der Charaktere. Gewaltige Höhlen und Dome – Vaults genannt – sowie weiträumige Verbindungstunnel und enge Wartungsschächte bilden ein riesiges Netzwerk mit ausreichend Platz für Millionen von Menschen, die sich seit Jahrtausenden in kleinen und großen Siedlungen bis hin zu ganzen Städten zusammengefunden haben. Die wundersame Technik der Station liegt zum größten Teil im Verborgenen, umgibt die Hohlräume von allen Seiten und verbirgt damit den Blick auf die Sterne. Stattdessen wird alles von künstlichem Licht beleuchtet, automatische Systeme und Wiederaufbereitungsanlagen sorgen für Sauerstoff, Trinkwasser, Ackerboden, Licht und nicht zuletzt Strom.

Um den Kern der Station herum, wo das Leben aufgrund der geringen Gravitation leichter fällt, befindet sich der größte Teil der Bevölkerung. In tausenden von Jahren haben sich dort ganze Stadtstaaten gebildet, mit komplexen Gesellschaftsstrukturen, Dynastien, Religionen usw.

Von dieser Antumbra genannten Region aus wachsen die Siedlungen weiter nach außen, und Expeditionen entdecken immer neue Gänge und Höhlen. Je weiter man sich vom Kern entfernt, desto schwerer wird das Leben, sei es durch immer unzuverlässigere Energieversorgung, durch die schiere Weitläufigkeit der Korridore und Schächte oder durch die teils grotesk anmutenden, augenlosen Tiere, die sich an die Umgebung angepasst haben.

Das größte Hindernis jedoch bleibt ebenso ungreifbar wie allgegenwärtig: die Gravitation. Die Geometrie von Nibiru als riesige Drehscheibe bringt mit sich, dass die Gravitation ausgehend vom Kern immer weiter zunimmt, je weiter man sich zum Rand bewegt. Ab der 2G-Grenze beginnt das größtenteils unerforschte Territorium des Umbra, wo nur wenige Siedler den Kampf gegen die widrige Umwelt aufgenommen haben und wohin jene vertrieben werden, die nirgendwo mehr willkommen sind.

Die Welt von Nibiru wird umfangreich, detailliert und farbenfroh beschrieben. Jeder Region sind über 10 Seiten mit zentralen Orten, Karten und Beschreibungen der Bewohner und ihrer Kultur gewidmet. Auf fast jeder Seite findet man mindestens einen „Tale-Spark“: kleine Infokästen mit interessanten, ergänzenden Infos, Abenteueraufhängern und Gerüchten oder Legenden zum nebenstehenden Text.

Einen groben Überblick bekommt man in Kapitel Eins mit allgemeinen Informationen zu Rollenspiel an sich und zu den Inspirationen, die zu Nibiru und dem angedachten Spielfokus führten: ein Science-Fiction-Erzählspiel über verlorene Erinnerungen. Danach folgt ein Glossar mit knapp 50 stimmungsvollen Inwelt-Begriffen, von denen einem viele immer wieder begegnen werden. Wörter wie „AI“ und „Core“ (für das energieliefernde Zentrum) mögen zum Teil bekannt oder herleitbar sein, aber bei neuen Begriffen wie Arku, Kabādu oder Umbra muss man doch immer wieder mal blättern und nachschauen. Für eine Welt, die derart mit typischen realen Vorbildern oder gängigen Klischees bricht, trägt das einerseits zur Fremdartigkeit bei, birgt aber auch eine zusätzliche Hürde.

Wer sich mit den Vokabeln vertraut gemacht hat, kommt dann zum Hauptteil der Weltbeschreibung mit zirka 70 Seiten über die drei Regionen, die größeren Lebensbereiche ausgehend vom Kern namens Antumbra, Penumbra und Umbra. Jede Region wird auf mehreren Seiten detailliert beschrieben. Angefangen mit einem kurzen geschichtlichen Abriss und der Beschreibung der Einwohner und ihrer kulturellen Eigenheiten wird jeweils ein Kernelement der Gegend genauer beleuchtet.

Außerdem findet man Karten und eine Übersicht der größten Vaults mit Kurzbeschreibung und Werten zu Population, Regierungsform, führende Industrien und Religion.

Dieser Teil des Buches ist so derart voll unverbrauchter Ideen, die für sich genommen und in ihrer Masse verwirrend wirken können, aber in sich ein schlüssiges Gesamtbild ergeben, dass selbst eine grobe Zusammenfassung den Rahmen sprengen würde. Ich werde daher nachfolgend ein paar Elemente beispielhaft auflisten, die ein Gefühl für die Bandbreite der Welt von Nibiru liefern sollen:

Kuppelartige Höhlen, in denen Arkologien errichtet wurden, die fast bis an die Decke reichen Der Torus: ein schlauchförmiger, mehrere hundert Meter durchmessender Gang, der die Vaults mit Frischluft versorgt und sich durch die ganze Station zieht Schwebende Barken, die, von den Winden des Torus angetrieben, in ihm von Siedlung zu Siedlung reisen und einen weitreichenden Handel möglich machen Eine Plattform mit einer ganzen Ölraffiniere in einem senkrechten Schacht, die das darin schwimmende Öl abbaut und an den Wänden immer weiter nach unten rollt Dinosaurierartige, vierbeinige AI-Roboter, die selbstständig Waren durch die Gänge liefern, sie gegen Angreifer verteidigen und ein Logistiknetzwerk bilden Reptilienartige, augenlose Tiere, die in den Kabelschächten hausen und sich von der Energie der Station ernähren

Der Umfang neuer Ideen und die Akribie, mit der hier versucht wurde, aus einer ungewöhnlichen Anfangsprämisse neuartige Gesellschaftsstrukturen und historische Entwicklungen zu kreieren, ist gleichermaßen beeindruckend wie auch einschüchternd. Die Faszination Nibirus erschließt sich über die Zeit. Wer querliest, läuft Gefahr, einen wichtigen Absatz zu überlesen, auf den sich später häufiger bezogen wird, und einige Hintergrunddetails sind wie Rätsel quer über das ganze Buch verstreut. Das macht es zu einer Herausforderung, das Setting für Spieler:innen erlebbar zu machen, die das Regelbuch gar nicht gelesen haben.

Die Regeln Nibiru nutzt das eigene MEMOS-Regelsystem, mit dem man über das Wiedererlangen verlorengegangener Erinnerungen Fähigkeiten erwirbt. Dafür wird ein simpler Probenmechanismus genutzt, der zunächst für alle Charaktere gleich schwer bleibt, denn neu erstellte Vagabunden, wie die Spieler:innencharaktere in Nibiru genannt werden, haben zunächst keine klassischen Fertigkeiten mit Ausnahme einer einzigen Sonderfähigkeit. Das spiegelt den Status nach ihrem Erwachen wider: der Zeitpunkt, an dem sie anfangen, ihre Erinnerungen wiederzuerlangen. Herauszufinden, wer oder was sie vorher waren, kann ein essenzieller Teil des Spiels sein.

Als Spieler:in eines Vagabunden hat man bei jeder Probe die Möglichkeit, über eine Erinnerung einen Bonus oder Malus auf eine passende Fertigkeit zu erlangen. Welche das ist, kann man völlig frei festlegen. Mali dienen dazu, an die entsprechenden Memory Points (MP) zum Kaufen neuer Erinnerungen zu kommen.

Beide Seiten des CharakterbogensBeide Seiten des Charakterbogens

Der minimalistische, stark auf die Erzählung fokussierte Ansatz findet sich auch auf dem ungewöhnlichen Charakterbogen wieder, der hauptsächlich den körperlichen und geistigen Zustand des Charakters und Proben-Modifikatoren festhält, die man durch das Reisen durch die unterschiedlichen Gravitationsbereiche der Station erhält.

Der Kern des MEMOS-Systems findet sich auf der zweiten Seite, dem Journal Sheet, wo erworbene Erinnerungen aufgeschrieben werden und das jeweils eine Revelation erhält, eine Art halb unterbewusste, übernatürliche Fähigkeit unbekannten Ursprungs. Diese Revelation genannten Fähigkeiten stehen oft mit Vergangenheit und/oder Zukunft der Protagonist:innen oder ihrer Umgebung in Verbindung.

Das MEMOS-System fügt sich mit seiner Mechanik und dem einzigartigen Spielfokus in das Thema von Nibiru ein. Der Ansatz, einen Charakter als leere Hülle zu beginnen und ihn im Laufe der Abenteuer mit Leben zu füllen, wurde hier auf mechanischer Ebene konsequenter umgesetzt als in jedem anderen Rollenspiel, was ich bisher kenne. Das bedeutet aber auch, dass die Charaktere sich mechanisch zu Beginn des Spiels wertetechnisch nicht unterscheiden, sondern nur durch den gewählten Hintergrund. Die Charaktererschaffung konzentriert sich deshalb auf die besondere Stellung der Charaktere in der Welt und was sich daraus ergibt.

Charaktererschaffung Ein ganzes Kapitel ist den Vagabunden gewidmet, wie die Spieler:innencharaktere in Nibiru genannt werden. Diese unterscheiden sich durch drei wesentliche Merkmale vom Rest der Bewohner der Station: ihre Amnesie, die fremdartigen Erinnerungen, die sie nach und nach wiedererlangen und ihre daraus erwachsenen besonderen Fähigkeiten.

Die Charaktererschaffung ist dreigeteilt und beginnt mit einem Grundkonzept, wo es um die Persönlichkeit des Charakters und den Bezug zur Gruppe geht.

Danach geht man in die Vergangenheit und entscheidet sich für ein Habitat, ein teils realer (unerreichbar am Rande der Station versteckt) teils metaphysischer Ort, über den die Charaktere über ihre Erinnerungen nach und nach immer mehr erfahren und aus dem sie ihre Fähigkeiten und übernatürlichen Kräfte erhalten – aber auch zum Teil unangenehme Wahrheiten. Zu jedem Habitat gehört eine Wesenheit, die mit „ihren“ Vagabunden eine immer engere Verbindung eingeht.

Jedes Habitat wird einzeln vorgestellt mit einigen Beispielerinnerungen, einer genaueren Beschreibung der Natur des Habitats, einer Spezialfähigkeit und dem Beacon, einer zusätzlichen Möglichkeit, an MP zu kommen, die je nach Habitat anders funktioniert.

Wer sich beispielweise für das Habitat „The Machine“ entscheidet, steht mit den Erinnerungen einer erwachten K.I. in Verbindung, auf die die Spieler:innencharaktere immer mehr Zugriff bekommen. Da K.I. auf der Station meist den Menschen dienen, ist das zentrale Thema dieses Habitats der Zwiespalt, nun Teil der Gemeinschaft derer zu sein, deren Diener man (bzw. der Träger der Erinnerung) bisher war. Die Kernfertigkeit, die man zu Beginn rudimentär beherrscht, ist die Möglichkeit, mit den Maschinen der Station in ihrer eigenen Sprache zu sprechen.

Nachdem man sich für ein Habitat entschieden hat, wird als letzter Schritt für den Charakter noch festgelegt, was er seit seinem Erwachen (das muss nicht zwingend der Zeitpunkt des Spielbeginns sein) erlebt hat. Dies dient der Einordnung in die Gesellschaft, zu der er gerade gehört und der Verbindung zu anderen SC.

Die Charaktererschaffung ist bis auf die Regeln durch die Habitate so frei wie möglich gestaltet. Aufgrund des minimalistischen Systems und der Mechanik, erst durch das Freispielen von Erinnerungen auf Fertigkeitsboni zuzugreifen, sind alle Charaktere zu Beginn gleich kompetent.

Diese Freiheit bringt aber mit sich, dass jede:r Spieler:in möglichst viel über den Hintergrund gelesen haben sollte, um überhaupt Ideen über Charakterkonzepte zu bekommen. Das Kapitel über die Charaktererschaffung reicht dafür meiner Meinung nach nicht aus. Das Konzept der Habitate bleibt auch nach dem Durchlesen sehr vage und wird nicht genauer erklärt.

Auch ein bloßer Hinweis darauf, dass man die Charaktere verknüpfen sollte, ist in einem solchen System etwas wenig. Hier wurde Potenzial verschenkt, aus der besonderen Situation der Vagabunden stärkere Bindungen zu schaffen, zum Beispiel mit Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse.

Erscheinungsbild Nibiru sieht wirklich verdammt gut aus, selbst wenn man nur die PDF-Version hat. Ich kann mir vorstellen, dass das im Hardcover noch besser rüberkommt. Die großformatigen, stimmungsvollen Illustrationen halten den Erwartungen des Covers stand und gehen oft über beide Seiten, entweder seitenfüllend als Kapitelabgrenzung oder als grafisches Element zum Text, sind in einem einheitlichen Stil gehalten und qualitativ gelungen bis hervorragend.

Der in blau gehaltene Zierrahmen fügt sich optisch passend in die ebenfalls in blau verzierten Überschriften ein und stört nicht beim Lesen. Beides bildet einen gelungenen Kontrast zu den schwarzen Textkästen und den dunklen Karten.

Im PDF gehen die aufwändig gestalteten Doppelseiten leider etwas verloren, wenn man es (wie ich) mit dem Tablet im A4-Modus liest.

Die Karten dienen der groben Orientierung und einer Vorstellung der Größenverhältnisse, und der gewählte Stil fördert das Gefühl der Undurchdringbarkeit der Station: Statt klare Grenzen finden sich Linien über Linien in verschiedenen Schattierungen. Zusammen mit den wunderschönen Illustrationen und den Zierelementen bildet das alles eine Einheit, die das Gefühl des Verlorenseins in der unübersichtlichen Enge der Station sehr gut einfängt.

Fazit Nibiru macht es einem ebenso leicht, es zu mögen, wie es einem schwer macht, es komplett zu durchdringen. Die Hauptinspiration für Teile der Spielwelt stammt spürbar aus der mesopotamischen Kultur und bricht mit den in der westlichen Medienwelt beliebten und verbreiteten Klischees. Das wird vermischt mit einem eigenen Mythos, der über das ganze Regelwerk verstreut immer wieder angedeutet, aber nirgendwo konkret nachlesbar ist.

Die Bausteine für ein einzigartiges, gelungenes Rollenspielsetting mit einem fremdartigen, faszinierenden Fokus sind vorhanden. Leider ist es nicht ganz gelungen, die Versatzstücke auf eine Weise aufzubereiten und zu strukturieren, um einem Außenstehenden einen klaren Eindruck davon zu vermitteln, welche Spielinhalte letztlich für interessierte Spielleiter:innen und Spieler:innen vorgesehen sind, und wie diese bespielt werden sollen. So bleibt am Ende der Teil der Aufbereitung an der Gruppe hängen, den ein Grundregelwerk eigentlich liefern sollte. Wer sich jedoch gerne selbst weitergehende Gedanken zur Spielwelt macht, findet in diesem Grundregelwerk genügend Ansatzpunkte vor. Für eine motivierte Gruppe, die zumindest das Kapitel über die Vagabunden komplett lesen mag, kann ein sanftes Herantasten in die seltsamen Untiefen dieser gewaltigen Raumstation zu einem ganz neuen Spielerlebnis führen.

Der Ersteindruck basiert ausschließlich auf Lektüre des Regelwerks. Ich würde das System gerne einmal ausprobieren, sobald ich Spieler:innen finde, die interessiert und experimentierfreudig genug sind und ich es noch mindestens ein weiteres Mal gelesen habe.



Wertung:
[4 von 5 Sternen!]
Nibiru Corebook
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Werwolf - Die Apokalypse - W20-Jubiläumsausgabe - Umbra - Der samtene Schatten (PDF) als Download kaufen
Verlag: Ulisses Spiele
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 01/03/2021 09:18:20

Das Umbra ist mehr als eine fremdartige Parallelwelt. Es ist auch die Heimat der Gestaltwandler, und damit für sie eine Seite derselben Münze, deren andere Seite die materielle Welt darstellt. Nur Narren glauben, dass der Kampf um Gaia allein in der materiellen Welt gewonnen wird.

Ein weiteres Buch aus der Reihe der Werwolf-Bücher zum zwanzigjährigen Jubiläum der Welt der Dunkelheit ist Umbra: Der samtene Schatten. Die Hauptsysteme Vampire: The Masquerade, Werwolf: The Apokalypse, Magus: The Ascension, Changeling: The Dreaming und Wraith: The Oblivion wurden als Jubiläumsbände neu aufgelegt. In der Spieler*innenschaft haben sich dafür die Abkürzungen V20 für Vampire, W20 für Werwolf und so weiter eingebürgert. Ulisses Spiele hat letzten Sommer einige dieser Quellenbände auf Deutsch per Crowdfunding finanziert.

Für Werwolf waren das Wege des Wandlers, Blutgeschwister, Umbra und Krieg des Zorns. Vor einigen Monaten sind die Bände bei den Teilnehmern des Crowdfunding angekommen. Die erste Edition wurde 1993 unter dem Namen Umbra: The Velvet Shadow herausgebracht, jedoch nie auf Deutsch übersetzt. Umso erfreulicher ist es, mehr als 20 Jahre später eine aktuelle Edition in den Händen zu halten. Bevor auf den Inhalt eingegangen wird, ist darauf hinzuweisen, dass dieses Buch eine Ergänzung ist. Die grundlegende Beschreibung der Geisterwelt ist im Werwolf–Grundregelbuch zu finden.

Inhalt

In der Einleitung des Buches werden den Lesenden einige grundsätzliche Gedanken zu der Geisterwelt mitgegeben. Es wird hier auf die Herausforderungen für die Erzähler*innen beim Beschreiben des Umbras eingegangen. Denn das Umbra besteht aus spirituellen Reflexionen und fremdartiger Andersheit, die über die bekannten Naturgesetze hinausgehen. Auch die fünf beziehungsweise sechs Sinne der Charaktere werden dort ganz neue Eindrücke erfahren.

Kapitel Eins: Penumbra

Die ersten drei Kapitel des Buches werden je einem Bereich der Geisterwelt gewidmet. Es beginnt mit dem Penumbra, das die Garou wohl am häufigsten betreten. Dieser Teil des Umbras ist der materiellen Welt am nächsten. Nur der Todesgürtel trennt beide Reiche voneinander, und doch sind sie untrennbar miteinander verbunden. Was in der materiellen Welt passiert, erzeugt ein Echo im Penumbra. Die geisterhafte Energie im Penumbra sorgt dafür, dass in der materiellen Welt die Dinge so geschehen, wie sie es schon seit Anbeginn der Zeit taten. Bäume wachsen, Flüsse fließen und Wasser spendet Leben. All dies und viel mehr geschieht, weil Geister im Penumbra treu ihren Dienst leisten. In diesem Kapitel werden die verschiedenen Zonen im Penumbra noch einmal detailliert dargestellt. Die drei Urkräfte der Schöpfung, Triaden genannt, haben hier ihre Einflussgebiete. Die Gebiete der Wyldnis sind Spiegel der schwindenden ungezähmter Natur. Die Netze der Weberin spiegeln die Ordnung und den Fortschritt der materiellen Welt wider. Dort wird alles in feste Strukturen gezwungen und unter den Fäden der Strukturgeister erstickt. In dem Ödland des Wyrm herrscht nur Verderbnis und Verzweiflung. Einzig die unreinen Geister des Wyrms treiben sich dort herum. Ergänzend zum Grundbuch werden nochmal diese unterschiedlichen Zonen beschrieben und jede mit konkreten Beispielen detailliert dargestellt. Eine Klinik, eine Abfüllanlage für Chemieabfälle, ein Einkaufszentrum und weitere Orte werden sowohl in der materiellen Welt als auch im Penumbra der Spielleitung zur Verwendung vorgeschlagen.

Die geisterhafte Energie im Penumbra sorgt dafür, dass in der materiellen Welt die Dinge so geschehen, wie sie es schon seit Anbeginn der Zeit taten. Kapitel Zwei: das Nahe Umbra

Hier ist die Bezeichnung irreführend, denn das Penumbra ist der materiellen Welt näher als das Nahe Umbra. Letztlich wird nur das Nahe von dem tiefen Umbra unterschieden. Während im Penumbra die physikalischen Gesetze noch gelten, ist das im Nahen Umbra nicht mehr der Fall. Hier sind Zeit und Raum nicht mehr gewiss.

Im Reich der Legenden könnten die Charaktere mit den uralten Geistern ihrer Vorfahren in Kontakt treten. Das Kapitel beginnt mit den unterschiedlichen Reisemethoden im nahen Umbra und geht weiter mit den größeren und stabilen Reichen dort. Fast alle dieser Reiche, wie der Abgrund, das Schlachtfeld und das Tor nach Arkadien werden schon im Grundbuch beschrieben. Hier bekommen sie mehr Platz und einige Vorschläge für Geschichtenaufhänger. Mit diesen Beispielen kann die Spielleitung diese Reiche in ihre Chronik integrieren. Zum Beispiel könnten die Charaktere zum Schlachtfeld reisen. In diesem riesigen Reich toben unaufhörliche Echos aller Schlachten und Kämpfe der materiellen Welt. Dort könnten die Charaktere die Taktiken eines unbekannten Feindes studieren und ihre Taktik verfeinern. Im Reich der Legenden dagegen könnten die Charaktere mit den uralten Geistern ihrer Vorfahren in Kontakt treten und an deren Weisheit teilhaben.

Kapitel Drei: Jenseitige Welten

Die Gestaltwandlerrassen bewohnen die Jenseitigen Welten. Die jenseitigen Welten liegen so weit von der materiellen Welt entfernt, dass dort gänzlich andere Regeln gelten. Selbst die Reise dorthin stellt ein Abenteuer dar. Dort liegen auch die Heimatlande der dreizehn Stämme. Die werden zwar im Grundbuch angedeutet, aber nicht beschrieben. Jedes bekannte Heimatland plus die Heimatländer der verschollenen Stämme, inklusive das der Tänzer der schwarzen Spirale, wird in einem Absatz beschrieben. Weiter geht es mit dem Astralen Umbra, dass Vampire- und Magusspieler*innen bekannt sein dürfte. Denn dorthin können auch ausreichend mächtige Vampire und Magi reisen. Das dunkle Umbra ist die Heimat der Todesalben. Nur mit speziellen Gaben und Ritualen können Garou in die Schattenlande reisen. Tatsächlich haben die Garou auch wenig Grund dafür, dorthin zu reisen, da ihre starke Lebenskraft ein Leuchtfeuer und Festmahl für alle Todesalben darstellt. Das tiefe Umbra ist die Heimat der Himmlischen, wie Helios, Luna und die Planeten, und der Triaden. Nur selten reisen Sterbliche in diese Reiche.

Kapitel Vier: Geister

Dieses Kapitel beschäftigt sich ausführlich mit den Bewohnerinnen der Geisterwelt. Wieder sind alle grundlegenden Informationen und Regeln im Grundbuch zu finden. Dieses Kapitel führt dagegen die Hintergrundinformationen weiter aus. Die grundlegende Natur der Geister, ihre Hierarchie, die Kommunikation und die spirituelle Ökologie werden detailliert erklärt. Letzteres ist, einfach ausgedrückt, das Handelssystem aus Gnosisenergie und Gefallen der Geister untereinander und mit Sterblichen. In einem Absatz werden drei Beispielgeister vorgestellt. Mittels eines ingame-Textes werden ein Kakerlakengeist, ein Chimärling und ein Geist von vergessenen Dingen jeweils in ihren eigenen Worten und von Garou beschrieben, die mit den Geistern interagieren. Dabei sind die Einblicke in die Gedanken der Geister besonders erhellend. Das Kapitel schließt mit einigen neuen Beispielgeistern. Diese sind mit einer Beschreibung und Regeln versehen, damit sie direkt in eine Chronik integriert werden können. Die Geister sind in Plagen, Geister Gaias, Weberingeister und Geister der Wyldnis sortiert. Die Autorinnen sind an dieser Stelle sehr kreativ geworden und haben Flame-War-Geister, Umleitungs-Geister, Meme-Geister, Computerspielgeister, Kinoleinwands-Geister, einen Hat-mich-dazu-gezwungen-Geist, Superhelden-Geister und viele mehr erschaffen.

Kapitel Fünf: Die Auserwählten

Das Kapitel beinhaltet die Regeln für die Kami und einige Beispielgeister. Im letzten Kapitel werden Gaias auserwählte Geister vorgestellt. Die sogenannten Kami sind von Gaia selbst mit einer bestimmten, meist rätselhaften, Mission betraut worden. Diese Geisterart ist nicht im Grundbuch zu finden. Dabei sind diese Geister so selten und rätselhaft, dass selbst die Gestaltwandler kaum etwas über sie wissen. Sie haben eine materielle Erscheinung und ein Abbild im Umbra. Das Kapitel beinhaltet die Regeln für die Kami und einige Beispielgeister. Das sind sowohl außergewöhnliche Tiere, Pflanzen aber auch Menschen und sogar in einem Fall ein erwachter Highway.

Erscheinungsbild Das Buch kommt im bekannten Hardcoverdesign mit Lesebändchen daher. Das Layout ist wie andere Werwolf-Publikation übersichtlich, gut zu lesen und von guter Qualität. Wieder ist das Inhaltsverzeichnis so ausführlich mit Seitenzahlen, dass die Leserschaft keinen Index benötigt. Die Illustrationen sind vollfarbig und passen zum jeweiligen Textinhalt. Die Übersetzung ist solide. Anzumerken ist, dass das Buch wieder im klassischen Maskulin geschrieben ist, im Gegensatz zu dem vielseitigen und modernen Femininum in Wege des Wandlers oder Fera. Allerdings stammen die genannten Bücher auch von unterschiedlichen Autor*innen.

Fazit

Die Illustrationen sind vollfarbig und passen zum jeweiligen Textinhalt. Das Buch ist eine hilfreiche Ergänzung für Spielleitung und Spielende, deren Chronik mehr Spiritualität enthalten soll. Für das Verständnis des Umbras ist das Buch nicht unbedingt nötig, da die Grundinformationen schon im Grundbuch zu finden sind. Umgekehrt sollte die geneigte Leserschaft allerdings mit dem Werwolf-Kosmos vertraut sein.

Obwohl das Buch hauptsächlich für Garou konzipiert ist, werden ab und zu auch die Blickwinkel der Fera erklärt. Durch die detaillierte Beschreibung, die liebevoll beschriebenen Beispiele und die Abenteueraufhänger ist das Buch eine gelungene Quelle. Die beschriebenen Geister und die fantastischen Umbrareiche sind einer der Höhepunkt des Buches, das zu einem durchweg guten Quellenband für Werwolf`zählt.



Wertung:
[5 von 5 Sternen!]
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Dungeon Crawl Classics Lankhmar Boxed Set
Verlag: Goodman Games
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 11/06/2020 02:09:44

https://www.teilzeithelden.de/2020/11/06/rezension-dungeon-crawl-classics-lankhmar-eine-box-fuer-gesetzlose/

Mit Dungeon Crawl Classics entstand vor einigen Jahren ein Rollenspielsystem, das ganz bewusst an die Anfänge des Hobbys anknüpft. Da liegt es nahe, einen klassischen literarischen Stoff aufzuarbeiten, der vor vielen Jahrzehnten das Fantasy-Genre und schließlich auch die ersten Rollenspielrunden mit abenteuerlichen Geschichten prägte. Willkommen in Lankhmar!

Lankhmar ist eine große Stadt. In ihrer Welt ist sie sogar die größte Stadt und ein nur schwer zu verstehender Moloch. Vor etwa 80 Jahren, in einer Zeit, in der noch nicht versucht wurde, in Fantasy-Geschichten auf pseudo-realistische Art das europäische Mittelalter zu rekreieren, erschuf Fritz Leiber eine Stadt, die nach ihren eigenen bizarren Gesetzen funktioniert und ein lebendiger Schmelztiegel der Kulturen ist. Zwar griff auch der Schriftsteller auf einige Klischees zurück, tat dies teilweise aber aus satirischen Gründen.

Die Hauptfiguren in Fritz Leibers Geschichten sind der Barbar Fafhrd und ein als Grauer Mausling (engl. Grey Mouser) bekannter Dieb. Ziel der Dungeon Crawl Classics (DCC) Lankhmar-Box ist es, ähnlich turbulente, teils bizarre Abenteuer zu ermöglichen. Ein Beispiel gefällig? In der Geschichte Bazar of the Bizarre sollen Fafhrd und der Graue Mausling im Auftrag ihrer Patrone (dazu später mehr) auf einem Marktplatz eine Gruppe Dämonen stoppen, die ihre Kunden glauben lässt, dass sie anstelle von wertlosem Plunder großartige Schätze zu Schnäppchenpreisen erwerben. Während der Mausling sofort dem Bann erliegt, muss Fafhrd allein weitermachen und kämpft vor farbenfrohen Marktständen gegen Untote und lebendig gewordene Statuen. Dem Barbaren bleibt nur die Flucht, aber immerhin schafft er es noch, seinen Gefährten zu retten. Wen erinnert das nicht an alte Rollenspiel-Abenteuer, in denen Scheitern zum Lernen dazugehört?

Eine bizarre, aber doch vertraute Welt Die DCC Lankhmar-Box enthält drei Bände mit Hintergrundinformationen und zusätzlichen Regeln, ein Abenteuer sowie Karten der Stadt Lankhmar und des Kontinents Nehwon, auf dem diese sich befindet. „Judge’s Guide to Nehwon“ ist der dickste Band der Box und enthält neben einer knappen, aber ausreichenden Beschreibung der Länder rund um Lankhmar vor allem zusätzliche Regeln. Auf die Grundregeln von Dungeon Crawl Classics soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Es sei zur weiteren Lektüre unser Spotlight auf das System empfohlen.

Dafür, dass die Beschreibung der Spielwelt so kurz gehalten ist und auf dreizehn Seiten Platz findet, erhält man einen guten Überblick zu Nehwon. Neben schon vor 80 Jahren gängigen Klischees über barbarische Nordleute, dekadente Menschen in den Dschungeln des Südens und plündernde Steppenvölker im Osten, sind es kleine Farbtupfer wie die mysteriösen, haarlosen Eevamarenseaner, die atheistischen Bewohner von Rime und nicht zuletzt der Moloch Lankhmar, die das Bild von Nehwon abrunden.

Wie aus dem Grundregelwerk von Dungeon Crawl Classics bekannt, sind es vor allem die Zaubersprüche, die sehr viel Platz einnehmen, da zu jedem von ihnen eine Tabelle mit ausführlichen Beschreibungen der Effekte je nach Erfolgsgrad gehört. Dazu gehören auch die Zauber, die man erhält, wenn man sich einem göttlichen Patron verschreibt. Diese Mechanik, bei der sich eine Spielfigur in die Dienste eines Gottes oder einer anderen übernatürlichen Wesenheit begibt, ist bereits aus dem Grundregelwerk bekannt ist, doch es gibt einige Unterschiede.

Denn die Götter von Nehwon sind keine entrückten Wesenheiten, sondern beobachten die Sterblichen mit wachsamen und strengen Augen. Wo immer sie eine Gelegenheit sehen, ihre Macht zu mehren, ergreifen sie diese sofort und sind stets auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Wer mit ihnen einen Vertrag abschließt, ist also nicht im Auftrag eines abstrakten göttlichen Ideals unterwegs, sondern darf sich auf regelmäßige, angespannte Bewertungsgespräche freuen, dafür aber auch bei Erfolgen seinen Arbeitsvertrag nachverhandeln.

Bereits des Grundregelwerk von Dungeon Crawl Classics macht deutlich, dass die Spielerinnen nicht in die Rollen heldenhaften Charakteren schlüpfen, sondern makelbehaftete Abenteurerinnen sind, die für schnelles Gold fast jeden Auftrag übernehmen. Also ganz genauso, wie Fafhrd und der Graue Mausling, die nur selten von altruistischen Motiven getrieben werden, sondern auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und dabei regelmäßig mit der Stadtwache, konkurrierenden Diebesbanden rachsüchtigen Magiewirkenden aneinandergeraten.

Dementsprechend gibt es in „Judge’s Guide to Nehwon“ auch Regeln für das Leben von Gesetzlosen. Eine Zufallstabelle regelt, was zwischen den Abenteuern mit den Spielfiguren passiert. Wurde man von den Saufkumpan*innen ausgeraubt? Warum wird man plötzlich per Steckbrief gesucht? Was will die alte Lehrmeisterin, die plötzlich auf der Matte steht? All diese Ereignisse geben interessante Impulse für die Geschichte der Spielfigur neben den eigentlichen Abenteuern.

Für den Beginn einer Spielrunde ist zudem die Mechanik des „Meet“, des ersten Treffens der Spielfiguren, wichtig. Fafhrd und der Graue Mausling lernen sich zum Beispiel kennen, als sie gleichzeitig zwei Diebe überfallen, die gerade erfolgreich von einem Einbruch zurückkehren. Statt sich gegenseitig in die Quere zu kommen, entschließen sie sich, den Überfall gemeinsam durchzuziehen und werden schließlich Freunde. Eine Zufallstabelle enthält Vorschläge, wie die Spielfiguren im Rahmen ähnlich halbseidener Begegnungen in einer kurzen Szene oder einem eigenen Abenteuer zusammengeführt werden können. Entsprechend wird auch davon abgeraten, das Spiel mit jeweils vier Level-0-Charakteren pro Spieler*in zu beginnen, auch wenn das Grundregelwerk von Dungeon Crawl Classics dazu anregt.

Das beiliegende Level-1-Abenteuer „No Small Crimes“ kann als „Meet“ verwendet werden, die Box empfiehlt dazu jedoch eher die gesondert erhältlich Abenteuer Masks of Lankhmar und The Madhouse Meet oder ein eigens mithilfe der enthaltenen Zufallstabelle kreiertes Szenario. No Small Crimes beschreibt den Einbruch in das Haus des wohlhabenden Lord Suttar. Eigentlich wäre es ein leichter Einbruch, aber ein Fluch gegen Diebe sorgt für einen unterhaltsamen und ungewöhnlichen Dungeoncrawl, der schnell tödlich enden kann. In diesem Punkt ist es schade, dass keine Empfehlungen für die Einbindung neuer Charaktere gegeben werden, sollte eine Spielfigur das Zeitliche segnen.

„City of the Black Toga“, der zweite Band, beinhaltet alle Informationen zur Stadt Lankhmar und stellt somit das eigentliche Herzstück der Box dar. So knapp die Vorstellung von Nehwon in „Judge’s Guide to Nehwon“ auch gehalten ist, so detailliert ist die Beschreibung von Lankhmar, wo die Spielrunde ihre meisten Abenteuer erleben dürfte. Auch hier liegen Zufallstabellen bei, die zu vielen kleinen Szenen oder längeren Geschichten in den Straßen der Stadt inspirieren.

Zu jedem der einzelnen Stadtteile gibt es solche Tabellen und auch Hinweise, wie die dort angerissenen Szenen zu einem längeren Erzählstrang verbunden werden können, der durch ganz Lankhmar führt. Slums, Diebesgilden, korrupte Mitglieder von Stadtwache und Verwaltung, ein dekadenter Klerus und obszön reiche Adlige schaffen das Bild eines gefährlichen Molochs, in dem beherzte Spielfiguren aber auch eine gemütliche Heimstatt finden können. Dafür, dass dennoch keine langfristige Ruhe einkehrt, sorgen die weiter oben erwähnten Ereignisse zwischen den Abenteuern.

Abgerundet wird der Band von Nichtspielercharakteren – darunter auch Fafhrd und der Graue Mausling – und Organisationen, die mehrere Anspielmöglichkeiten bieten. Ebenso sind Zufallstabellen enthalten, um eine kleine Nachbarschaft zu kreieren, in der die eigene Spielrunde eine Heimat finden kann.

Tagsüber auf der Straße, nachts in Kneipen und Palästen Das Compendium of Secret Knowledge enthält als dritter Band schließlich die Regeln zur Charaktererschaffung für Spielfiguren in Lankhmar. In diesem Band finden sich, abermals in Form von Zufallstabellen, Anregungen für Vor- und Nachteile, hier „Benison“ und „Doom“ genannt, um den Charakteren etwas Fleisch auf die Knochen zu geben. Dabei bieten auch diese direkt neue Spielansätze: Die Spielfigur kennt ein hilfreiches Geheimnis? Gut, aber was denn genau und woher? Die Spielfigur wird von einer übernatürlichen Wesenheit verfolgt? Ärgerlich, wie ist das denn passiert?

Ein wichtiger Unterschied zum Grundspiel ist, dass es keine Klerikerinnen gibt. Dies liegt daran, dass die Götter von Nehwon zwar durchaus existent, ihre Dienerinnen aber in der Regel nur aufschneiderische Hochstapler sind, die keine göttliche Macht besitzen. Dies trifft nur im begrenzten Maße auf Personen zu, die einen göttlichen Patron (siehe oben) haben.

Magie hingegen ist sehr präsent in Lankhmar. Ihre Verwendung ist aber sehr gefährlich, was sich in weiteren Sonderregeln für Magier*innen widerspiegelt. Im Laufe der Zeit können Magiewirkende korrumpieren, was sich in ihrem Äußeren, aber auch in ihrer Persönlichkeit manifestiert. Für diesen Fall liegt abermals eine Zufallstabelle bereit, die Konsequenzen von schrecklichen Pusteln im Gesicht bis hin zum Wachsen eines Schnabels enthält.

Erscheinungsbild Die DCC Lankhmar-Box bleibt von der Gestaltung her sehr nah beim Grundspiel. Schwarzweiße Illustrationen, die deutlich von den alten Klassikern des Rollenspiel-Genres inspiriert sind, verleihen den enthaltenen Bänden den gleichen Charme, der auch Dungeon Crawl Classics selbst auszeichnet. Dies passt sehr gut, denn schließlich wurden auch die Geschichten von Fritz Leiber einst pulpig und überzeichnet bebildert. Manchmal geht dies aber leider auch zulasten der Qualität.

In dieses stimmige Gesamtbild fügen sich auch die beiliegenden Karten von Lankhmar und Nehwon ein. Vor allem die Karte der Stadt strotzt nur so vor Details, ohne dass sie von Markierungen übersät ist. Für sie allein dürfte sich schon die Anschaffung der physischen Box lohnen. Als PDF funktioniert sie aber auch gut, ebenso wie die Suchfunktion allgemein beim Durchforsten der Regeln hilft, da kein Index vorhanden ist.

Fazit Die Stadt Lankhmar passt zu Dungeon Crawl Classics wie die Faust aufs Auge, was daran liegen mag, dass die Geschichten um Fafhrd und den Grauen Mausling zu den alten Fantasy-Klassikern zählen, die einst die Entwickler der ersten Pen-and-Paper-Rollenspiele prägten. Entsprechend fanden sich ihre Spuren bereits im Design des Grundregelwerks, was mit DCC Lankhmar nun offensichtlich wird. Denn bis auf wenige Anpassungen an die Spielwelt bleibt das Regelsystem unverändert.

Eine der beiden beiliegenden Karten: Lankhmar. Da stellt sich die Frage, warum der neue Spielhintergrund überhaupt so umfangreich ausgefallen ist. Dies liegt hauptsächlich an den vielen Zufallstabellen und erweiterten Magieregeln, die viel Platz einnehmen und sicher auch etwas kompakter hätten dargestellt werden können. Andererseits helfen gerade die Tabellen dabei, das Flair der von Fritz Leiber erschaffenen Fantasy-Welt zu transportieren. Denn die eigentliche Weltbeschreibung ist nur sehr grundlegend vorhanden. Wer ganz in die Welt von Fafhrd und dem Grauen Mausling eintauchen möchte, kommt also um eine Lektüre der grundlegenden Kurzgeschichten nicht herum.

Aufgrund der vielen Überschneidungen kann man auch ohne die Box und nur auf Basis der Dungeon Crawl Classics-Grundregeln Abenteuer in Lankhmar erleben. Wer aber gerade an den erwähnten Details, an „Meets“ und neuen „Patrons“ Gefallen findet, sollte sie sich leisten. Am besten in gedruckter Form, denn dabei sind die Codes für das PDF enthalten, dessen eigener Preis bereits stattlich ausfällt.



Wertung:
[4 von 5 Sternen!]
Dungeon Crawl Classics Lankhmar Boxed Set
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Vampire: The Masquerade, Winter's Teeth #1
Verlag: Vault Comics
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 11/02/2020 03:05:43

https://www.teilzeithelden.de/2020/11/02/vampire-the-masquerade-abseits-der-pfade-des-rollenspiels-was-gibt-es-noch/#Der_Comic_Winters_Teeth

Erfreulicher als die Computerspiel-Umsetzung ist die neue Comic-Reihe. Winter’s Teeth wirkt den erfahrenen Vampire-Kenner*innen sofort vertraut durch seine Gothic-Punk-Optik. Der Zeichenstil von Devmalya Pramanik erinnert an die Werke von Timothy Bradstreet, die der World of Darkness ihre einzigartige Optik verliehen.

Erzählt wird die Geschichte der Cecily Bain, die als untote Gesetzeshüterin tätig ist. Als sie das Recht erhält, eine neue Vampirin zu erschaffen, sieht sie sich mit der moralischen Entscheidung konfrontiert, ob sie ihre alzheimerkranke Schwester mit der Bürde des ewigen Lebens belegen soll oder nicht. Zu allem Überfluss nimmt sie eine rätselhafte junge Bluttrinkerin bei sich auf, die neu und scheinbar verloren durch die Stadt irrt. Damit gerät sie in ein undurchsichtiges Ränkespiel, und ein Dickicht aus Rätseln, Geheimnissen und Gefahren tut sich vor ihr auf.

Der erste Band enthält zudem eine Geschichte über einen jungen Klüngel – also ein familienartiger Zusammenschluss von Vampiren – von Anarchen, die grausamen Morden nachgehen müssen, um ihre eigene Existenz zu retten.

Der Band ist sehr spannend erzählt und überzeugt durch eine dynamische und atmosphärische Tuscheführung, ergänzt durch stimmungsvolle Farben. Abgerundet wird das Lesevergnügen durch Charakterbögen, die für den Einsatz im Rollenspiel gedacht sind. Durch diese lassen sich Cecily Bain und die Anarchenführerin Colleen Pendergrass auch am heimischen Spieltisch zum Leben erwecken. Ich freue mich bereits auf die Lektüre der weiteren Bände.



Wertung:
[5 von 5 Sternen!]
Vampire: The Masquerade, Winter's Teeth #1
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DSA5 - Die dampfenden Dschungel - Der Tiefe Süden & die Waldinseln (PDF) als Download kaufen
Verlag: Ulisses Spiele
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 10/26/2020 07:45:00

https://www.teilzeithelden.de/2020/10/10/rezension-dsa-die-dampfenden-dschungel-ein-neuer-blickwinkel/

Der Süden Aventuriens ist eine Region voller kultureller Gegensätze und Spannungen. In den Städten herrschen machthungrige Granden, im Dschungel leben vielfältige Stämme. Die Dampfenden Dschungel richtet als erste Spielhilfe ihren Blick umfassend auf diese Stammeskulturen und will neue Spielansätze in der Region ermöglichen. Ist dies geglückt?

Sechzehn Jahre ist es her, dass der tiefe Süden Aventuriens, der Kontinent, auf dem die meisten Abenteuer für das Rollenspiel Das Schwarze Auge spielen, in einer umfassenden Spielhilfe beschrieben wurde. In den Dschungeln Meridianas gab einen Überblick über die tropische Region, beschrieb das sklaventreibende Imperium von Al’Anfa ebenso wie kleinere Reiche und die Kulturen der Ureinwohner*innen, Waldmenschen und Utulus genannt.

Die Dampfenden Dschungel widmet sich nun im Speziellen den Bewohnerinnen der Wälder und Berge und möchte einen neuen Blickwinkel auf diese Menschen geben. Lag der Schwerpunkt zuvor auf der Wahrnehmung aus Sicht der Kolonialmächte und ihrer Untertaninnen, wird nun verstärkt das Selbstbild der Stämme dargestellt. Zudem wird zu Beginn des Bandes darauf hingewiesen, dass es in Aventurien zwar Kolonialismus, Sklavenhandel und die damit verbundenen Gräuel gibt, diese auszuüben aber nicht positiv bewertet wird, auch wenn die Spieler*innen diesen Situationen in der Spielwelt begegnen können.

Dampfende Dschungel und blühende Inseln Bevor es jedoch um die Menschen des aventurischen Südens geht, wird die Geographie der Region beschrieben. Diese bietet entgegen des Titels nicht nur dampfende Dschungel, sondern auch schneebedeckte Berge, tückische Sümpfe und unerforschte Inseln. Wie aus den bisherigen Regionalspielhilfen bekannt, wird zunächst eine grobe Übersicht gegeben, bevor es ins Detail geht. Beginnt es mit geographischen Begebenheiten, mit Flora und Fauna, werden die Leser*innen schließlich über Wege und Siedlungen zu den dort lebenden Menschen und ihren Bräuchen geführt.

Die dampfenden Dschungel 2

Diese sind so unterschiedlich wie die Landstriche selbst. In Horobans Wäldern leben Stämme, die sich seit Generationen an das Leben im Dschungel angepasst haben, aber auch Siedlerinnen und Abenteurerinnen aus dem Norden. Auf den Inseln leben Stämme, die sich durch Handel und aufgrund von Kolonisation den Nordländern angepasst haben, aber auch gesetzlose Piratinnen und Überlebenskünstlerinnen aller Kulturen.

Beim ersten Durchlesen wird bereits klar, dass Die Dampfenden Dschungel nur schlecht am Stück gelesen werden kann. Viele Begriffe und Stammesnamen, die erst weiter hinten im Buch erklärt werden, tauchen in den ersten Kapiteln bereits ganz selbstverständlich auf. Zwar werden die Eigenheiten mancher Stammeskulturen und Orte bereits kurz angerissen, bleiben zunächst aber kryptisch. Als Nachschlagewerk funktioniert der Band dennoch.

Insgesamt gibt er einen guten Einblick in einen verhältnismäßig ungewöhnlichen Background. Der Fokus liegt ganz klar auf den Stammeskulturen des aventurischen Südens, deren irdische Vorbilder vornehmlich in Afrika, aber auch im Südpazifik und Amerika zu verorten sind. Als dieser Hintergrund vor gut dreißig Jahren entstand, wurde sich noch bei vielen Klischees über sogenannte Naturvölker bedient, wenn auch unter gut gemeinten Vorsätzen. Stets waberte der Eindruck mit, die edlen Wilden würden bei ihren Problemen mit alanfanischen Sklavenjägerinnen, gierigen Siedlerinnen und uralten Flüchen die Hilfe der meist nordländischen Held*innen benötigen.

Keine grüne Hölle, sondern ein abenteuerliches Zuhause Dieses Bild wird in Die Dampfenden Dschungel grundlegend auf den Kopf gestellt. Der Band bietet genügend Ansatzpunkte für Abenteuerinnen, die speziell von Waldmenschen oder Utulus, aber auch kulturell diversen Gruppen wahrgenommen werden können. Die koloniale Perspektive, die es in der Spielwelt durchaus gibt, wird durch die kleine Stadt Hot-Alem bedient, die allerdings nur geringe expansionistische Bedürfnisse hat und in der auch keine Sklavinnen gehalten werden. Sie dient damit nicht nur als Ausgangspunkt, um nordländische Spielfiguren Abenteuer in Südaventurien erleben zu lassen, sondern umgekehrt auch als Tor für Held*innen aus Stammeskulturen, um ihrerseits die fremden Gebräuche kennenzulernen.

Die Dampfenden Dschungel 1Von diesem Punkt aus macht es sich also positiv bemerkbar, dass die großen Städte des Südens in der Spielhilfe nicht stattfinden und nur am Rande erwähnt werden. Eine Sklavenhaltergesellschaft wie Al’Anfa wird dadurch nicht komplett ausgeklammert, aber doch ein gutes Stück aus dem Spiel ausgegrenzt beziehungsweise als Gegenseite dargestellt, wodurch nicht zuletzt auch diese Kultur an Kontur gewinnt.

In Die Dampfenden Dschungel wurde auf die Beschreibung von kolonialen Städten bis auf Hot-Alem verzichtet, was den Eigenschaften der Stammeskulturen mehr Raum gibt. Da diese vornehmlich in kleineren Siedlungen leben, wird nur ein generisches Dorf beschrieben, dass sowohl auf dem Festland als auch auf einer der Inseln platziert werden kann. Die Darstellung der Stammesangehörigen wurde in dieser Hinsicht allerdings auch leicht korrigiert. Einen diesbezüglichen Aspekt stellen wir, aufgrund der Verknüpfung zum Abenteuer Jadegrün und Kobaltblau in einen Spoilerkasten.

Spoiler Ein Land mit Geschichte Auch dass es sich um einen fantastischen Hintergrund handelt, wird nicht vergessen. Die animistische Magie der Waldmenschen wird ebenso berücksichtigt wie die Kultur der Echsenmenschen, die in verfallenden Ruinen leben und nicht vergessen haben, dass sie vor vielen Jahrtausenden über Südaventurien herrschten.

Im Vergleich mit den vorherigen Spielhilfen unterscheidet sich Die Dampfenden Dschungel auch in Bezug auf die Darstellung der Historie der Waldmenschen und Utulus. Wurde sie bisher nur grob umrissen, geben neue historische Daten den Stammeskulturen eine klarere Gestalt. Verwunderlich ist in diesem Punkt nur, dass die Kemi in der Spielhilfe nicht näher beschrieben werden. Diese stark vom alten Ägypten inspirierte Kultur stellte als von Waldmenschen gegründete Zivilisation bisher bereits einen interessanten Farbtupfer inmitten der Dschungelstämme und Kolonialstädte dar. Natürlich ist es gut möglich, dass ganz bewusst auf eine Darstellung der Kemi verzichtet wurde, um möglichen neuen Entwicklungen innerhalb der Spielwelt, die wahrscheinlich mit der angekündigten Al’Anfa-Kampagne vollzogen werden, nicht vorzugreifen.

Platz genug wäre gewesen, da mehrere Details sich letztlich doppeln. Dies ist aber insofern nicht weiter tragisch, als dass das Bild der Region und ihrer Bewohner*innen umso bunter strahlt. Wie auch schon bei der Uthuria-Kampagne vor einigen Jahren ist es gelungen, einen nach Fantasy-Standards ungewöhnlichen Spielhintergrund abzubilden, der vom Burgen-und-Ritter-Einerlei abweicht. Stattdessen werden Figuren nahbarer und spielbarer, die sonst oft klischeebeladene Exoten bleiben.

Uralte Magie und tiefe Wurzeln Hinsichtlich der Spielbarkeit wird Die Dampfenden Dschungel wie bei den aktuellen Regionalspielhilfen für Das Schwarze Auge üblich durch neue Professionen, Zauber, Kreaturen, Sonderfertigkeiten und Ausrüstungsgegenständen abgerundet. Letztere werden jedoch nur in der parallel erscheinenden Rüstkammer der Dampfenden Dschungel ausführlich beschrieben und in der Regionalspielhilfe selbst nur grob dargestellt.

Die dampfenden Dschungel 3

Wer mit allen Sonderregeln spielt, kann dadurch ausdifferenzierte Spielfiguren erstellen, wie zum Beispiel Animistinnen. Diese neue Profession wählt sich einen Patronin, wobei es sich um einen Tiergeist, ein elementares Wesen, einen Ahnengeist oder gar einen Erzdämon handeln kann. Auf diesem Weg wird der allgemeine Spielhintergrund von Das Schwarze Auge stärker in die Region eingebunden. Dienerin eines Erzdämons im Dschungel Meridianas? Vielleicht sogar unwissentlich Verführte*r? Auch die Hexen Südaventuriens werden ausführlicher als zuvor beschrieben, was eine weitere Verknüpfung zum Rest der Spielwelt darstellt.

Orientierung im dichten Dschungel Wie fast alle Publikationen zur fünften Edition von Das Schwarze Auge, verfügt auch Die Dampfenden Dschungel über eine sehr gute Illustration. Sowohl die Landschaften Südaventuriens als auch die Bewohner*innen dieser Region werden anschaulich dargestellt. Da es im Zusammenhang mit anderen Veröffentlichungen angesprochen wurde, sei erwähnt, dass dieses Mal bis auf sehr wenige Ausnahmen darauf verzichtet wurde, die Waldmenschen und Utulus – und insbesondere die Frauen – halbnackt oder gar ganz entkleidet darzustellen.

Da viele spielrelevante Informationen über das Buch verteilt sind, ist es gut, dass gesonderte Infokästen bei der Orientierung helfen. Insgesamt ist die Struktur des Bandes jedoch nicht immer nachzuvollziehen. Zunächst wird ein grober geographischer Überblick gegeben, dann im Detail auf einzelne Landstriche und Siedlungen eingegangen. Es folgen Erklärungen zu speziellen Gebräuchen. Eine allgemeine Übersicht über die Stämme der Waldmenschen und Utulus, die beim Verständnis der vorherigen Abschnitt deutlich hilft, folgt allerdings erst danach.

Der Index hilft beim Durchblick leider auch nicht immer, da er nicht alle Nennungen eines Begriffs enthält. In diesem Punkt wäre eine andere Gliederung des Bandes, die vor allem Einsteiger*innen in die Region unterstützt hätte, die erst einmal grundlegende Infos brauchen, wünschenswert gewesen.

Fazit Die Dampfenden Dschungel ist eine Veröffentlichung, die aufgrund vorhergehender Kritik am sorglosen Umgang mit Sexismus und Rassismus vonseiten der Redaktion von Das Schwarze Auge, sicherlich unter besonderer Beobachtung steht. Aventurien ist eine Spielwelt, in der Sklaverei und Kolonialismus existieren, Das Schwarze Auge ein Regelsystem, das nicht pauschal ausschließt, auf Seiten der Unterdrückenden zu spielen.

Insofern war es eine gute Entscheidung, nicht die gesamte Region in Südaventurien abzubilden, sondern sich auf die Stammeskulturen zu konzentrieren. In diesem Punkt gab es bereits vor sechzehn Jahren mit In den Dschungeln Meridianas grundlegende Informationen, die mit Die Dampfenden Dschungel aber ausgeweitet wurden und zudem mit einem neuen Blickwinkel präsentiert werden.

Dass die Waldmenschen und Utulus nicht mehr pauschal als exotische Fremde dargestellt werden, sondern ganz im Gegenteil ihre Sicht auf die Welt umfassend aufbereitet wird, erlaubt ganz neue Spielansätze in dieser Region Aventuriens. Es gelingt dem Band jedoch nicht, diese spielrelevanten Informationen kompakt und übersichtlich zusammenzufassen. Zu oft verliert er sich in Details, die stellenweise mehrfach erwähnt werden und lässt eine nachvollziehbare Gliederung missen.

Doch auch wenn der Band in diesem Punkt vereinzelt wie Stückwerk wirkt, stellt er eine unterhaltsame und sicherlich auch spielwerte Regionalbeschreibung dar. Einzelne Ansätze zur Darstellung der Stammeskulturen mögen, je nach Geschmack, gelungen oder misslungen erscheinen. Unterm Strich kann die Spielhilfe aber gerade in diesem Punkt durch kreative Ideen und sinnvolle Überarbeitungen überzeugen.



Wertung:
[4 von 5 Sternen!]
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Vaesen - Nordic Horror Roleplaying
Verlag: Free League Publishing
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 10/26/2020 07:42:36

https://www.teilzeithelden.de/2020/09/24/ersteindruck-vaesen-grundregeln-mythischer-horror-in-skandinavien/

In einer alternativen Version Skandinaviens leben die Menschen seit Jahrhunderten mit mythischen Kreaturen zusammen – den Vaesen. Doch Skandinavien befindet sich im Umbruch. Das hat weitreichende Folgen für Menschen und Vaesen. Als Charakter in dieser Welt, ausgestattet mit einer besonderen Gabe, nimmt man sich der Konflikte an, die dadurch entstehen.

Vaesen ist ein im Juli 2020 neu erschienenes nordisches Horror-Rollenspiel mit düsteren Fantasy-Elementen aus dem Hause Free League, das bereits durch Rollenspiele wie Coriolis, Tales from the Loop und Die Verbotenen Lande bekannt ist. Die hier besprochenen Grundregeln sind bisher in englischer Sprache verfügbar. Das Buch selbst basiert auf den Zeichnungen von Johan Egerkrans. Mit ihnen wurde ein ganzes Rollenspielsystem erschaffen.

Die Spielwelt Den Kern, um den sich alles dreht, bilden die Vaesen. Sie sind Kreaturen, die von nordischen Mythen und Folklore inspiriert sind oder übernommen wurden. In diesem Rollenspielsystem sind diese Kreaturen Wirklichkeit. Man befindet sich im Skandinavien des neunzehnten Jahrhunderts, wobei der Fokus auf Schweden liegt. Ansprüche auf historische Korrektheit werden hierbei nicht gestellt. Vielmehr wurde eine alternative Version Skandinaviens geschaffen. Dabei ist der zeitlich vorgegebene Rahmen eines ganzen Jahrhunderts völlig ausreichend. In welchem Jahr man genau spielt und welche Errungenschaften des neunzehnten Jahrhunderts bereits existieren, wird jeder Gruppe selbst überlassen. Es ist jedoch ebenso eine Welt voller mythischer Wesen und Magie, aber auch neuer Herausforderungen und Gefahren, die dadurch entstehen.

Ein ganzes Kapitel widmet sich der Beschreibung von einundzwanzig verschiedenen Vaesen. In Vaesen befindet man sich in einer Welt des Umbruchs. Durch die Industrialisierung und Revolutionen ist Skandinavien nicht mehr das, was es früher einmal war. Neue Wege zu denken und die Welt zu sehen, lösen nach und nach altes Wissen ab. Dazu gehört auch das Wissen um die Vaesen und wie man am besten mit ihnen umgeht, um eine friedliche Koexistenz mit ihnen zu gewährleisten. Das Christentum gewinnt immer mehr an Bedeutung, und der Glaube an mythische Kräfte und Wesenheiten nimmt ab. Und so wie die Menschen sich verändern, so verändern sich auch die Vaesen. Viele werden aggressiv oder unberechenbar. Es entsteht der Eindruck, dass die Menschen durch ihr schwindendes Wissen die Gunst und das Wohlwollen der Vaesen immer mehr verlieren.

Die Charaktere der Spieler*innen finden sich in dieser Welt wieder als Personen, die „The Sight“ besitzen. Während vielen Menschen bewusst ist, dass es Vaesen gibt, können die wenigsten sie sehen. Den Charakteren ist dies jedoch durch ein traumatisches Erlebnis möglich. Aus diesem Grund werden sie angeworben, um die „Society“ wieder aufzubauen. Eine Gesellschaft, die dreihundert Jahre lang die Vaesen studiert, sie aber auch bei Konflikten mit Menschen gebannt hat. Zu diesem Zweck beziehen die Charaktere das Hauptquartier „Castle Gyllencreutz“ in Uppsala. Von dort aus brechen sie zu Missionen auf, wenn es Probleme mit Vaesen gibt.

Da es potenziell überall Vaesen gibt, kann eine Mission die Charaktere entsprechend zu den verschiedensten Orten führen: sei es ein ländliches Bauernhaus, die engen Gassen einer Großstadt oder verschneite Berge. Die Möglichkeiten sind ebenso vielfältig wie die Vaesen, auf die man treffen kann. Daher widmet sich ein ganzes Kapitel der Beschreibung von einundzwanzig verschiedenen Vaesen, nachdem allgemeine Informationen über sie vorgestellt wurden. Als Beispiel seien bekannte Kreaturen wie Meerjungfrauen und Werwölfe genannt, aber auch unbekannte wie die „Nissar“ oder „Vaettir“, wenn man mit den nordischen Mythen nicht vertraut ist.

Uppsala erhält eine genauere Beschreibung. Beschreibungen der Konflikte im Skandinavien des neunzehnten Jahrhunderts sowie der Lebenssituation in Städten und auf dem Land bilden den Rahmen für die Welt. Einige große Städte werden kurz vorgestellt, aber vor allem Uppsala erhält als Stadt, in der sich das Hauptquartier befindet, eine genauere Beschreibung. Hier sind verschiedene Orte von Interesse, wie etwa der Botanische Garten, die Polizeistation oder das Armenhaus. Trotzdem wird man immer wieder dazu angehalten und ermutigt, sich eine eigene Welt mit Orten, Geschehnissen, Technologien und einer Atmosphäre, die man als Gruppe für sich geeignet und passend hält, zu erschaffen. Auch die Schaffung der Atmosphäre wird sowohl den Spieler*innen, aber auch insbesondere der Spielleitung überlassen. Jedoch wird man dabei nicht allein gelassen, denn Vaesen gibt in vielen Bereichen Vorschläge und Denkanstöße, um sich die Welt so gestalten zu können, wie man es möchte. Nicht einmal das Hauptquartier muss sich in Uppsala befinden, wenn man einen anderen Standort für geeigneter hält.

Die Regeln Die Regeln und Beschreibungen sind durch ihre Formulierung und zusätzliche Erklärungen so ausgelegt, dass auch Rollenspielneulinge sich zurecht- und einfinden können.

In der Einleitung werden kurz die wichtigsten Dinge wie die Situation der Menschen und Vaesen umrissen und beschrieben, was man während einer Spielsitzung zu erwarten hat. Schließlich werden die benötigten Würfel vorgestellt. Nach der Charaktererschaffung folgen weitere Regeln zu den Themen „Skills“, „Talents“, „Conflicts and Injuries“ und „The Society and The Headquarters“. Zu vielen Regeln werden anschauliche Beispiele in Form einer fiktiven Gruppe gegeben, die gerade eine Situation passend zur vorgestellten Regel erlebt.

Vaesen setzt primär darauf, dass die meisten Aktionen, Reaktionen und Interaktionen auf rollenspielerische Weise getätigt werden. Doch auf das Würfeln wird selbstverständlich nicht vollständig verzichtet. Hierzu verwendet man sechsseitige Würfel, deren Anzahl sich aus dem Wert einer bestimmten Fertigkeit und dem Wert des dazugehörigen Attributs zusammensetzt. Jede gewürfelte Sechs ist ein Erfolg und meist genügt ein Erfolg, um eine Probe zu bestehen.

Die Werte der vier Attribute liegen dabei zwischen zwei und fünf, die Werte der zwölf Fertigkeiten zwischen null und fünf, wobei zu Beginn kein Wert höher als drei sein darf. Somit stehen einem neuen Charakter mindestens zwei und höchstens acht Würfel zur Verfügung. Passende Ausrüstung kann zusätzlich Bonuswürfel verleihen.

Für verschiedene Kampfmanöver werden jeweils bestimmte Fertigkeiten benötigt. Im Kampf wird die Initiative anhand von Werten zwischen eins und zehn auf gezogenen Karten ermittelt. Je niedriger die Zahl, desto früher ist man an der Reihe. Gekämpft wird in einem Zonensystem, und man hat pro Runde sowohl eine langsame als auch eine schnelle Aktion zur Verfügung, die in Tabellen beschrieben werden. Für Nahkampf, Fernkampf, Ausweichen und Parieren, Festhalten und Ringen, Fliehen und Verfolgen sowie Hinterhalt und Überraschungsangriffe werden jeweils bestimmte Fertigkeiten benötigt. Hierbei kann es passieren, dass man gegen den Wurf des Gegners würfeln muss. Je nach Situation werden gleich viele oder mehr Erfolge benötigt, damit die Aktion glückt.

Anstatt Lebenspunkten besitzt jeder Charakter sogenannte „Conditions“. Drei davon sind physisch, drei mental. Je nach Art des erlittenen Schadens zieht man entsprechende „Conditions“ ab. Diese beschreiben einen speziellen Zustand, in dem man sich dann befindet, und als Spieler*in kann man sich aussuchen, welche „Conditions“ man erleidet. Für den physischen Typ sind das „verletzt“, „erschöpft“ und „angeschlagen“, für den mentalen Typ „wütend“, „verängstigt“ und „hoffnungslos“. Der Charakter reagiert also entsprechend der erlittenen „Condition“. Hat man bereits drei „Conditions“ eines Typs und würde eine vierte erleiden, wird man „broken“. Das bedeutet, dass man eine kritische Verletzung erlitten hat. Diese kann unterschiedlich schwer sein und ist entweder temporär oder permanent. Um welche Verletzung es sich genau handelt, wird mit einem Würfelwurf und anschließendem Konsultieren einer Tabelle ermittelt. Während die meisten Verletzungen Nachteile mit sich bringen, können manche sogar vorteilhaft sein und sogenannte „Insights“ verleihen. Verletzungen haben, je nach Schwere, ein Zeitlimit, in dem sie behandelt werden müssen. Andernfalls stirbt der Charakter oder ist permanent mental gebrochen und nicht mehr spielbar.

Des Weiteren ist es den Charakteren möglich, das Hauptquartier auszubauen und zu erweitern. Dies kann auf drei Arten geschehen: das Erschließen bisher unzugänglicher Räumlichkeiten des Schlosses, das Kennenlernen neuer Kontakte und das Einstellen von Personal. Jede dieser Erweiterungen bringt den Charakteren bestimmte Vorteile, an viele sind jedoch Bedingungen geknüpft, um sie freischalten zu können.

Erfahrungspunkte erhält man am Ende eines Szenarios durch das Beantworten eines kleinen Fragenkatalogs. Je mehr Fragen mit Ja beantwortet werden, desto mehr Erfahrungspunkte erhält man. Jeder Charakter erhält Punkte für den Ausbau der eigenen Fähigkeiten und gesondert Erfahrungspunkte, die genutzt werden können, um das Hauptquartier zu erweitern.

Ein Teil gegen Ende des Buches ist der Spielleitung vorbehalten. Hier werden ausführlich die einundzwanzig ausgewählten Vaesen beschrieben. Jedes wird dabei auf zwei Seiten vorgestellt. Dazu gibt es ein Bild, Informationen, welche Magie es anwenden kann, wie es kämpft, welches Ritual nötig ist, um es zu bannen und welches Geheimnis es birgt, dessen Kenntnis in manchen Fällen eine Bannung erst erfolgreich macht. Gegen Ende des Kapitels ist eine kleine Anleitung zu finden, um selbst neue Vaesen zu erschaffen.

Des Weiteren erhält man als Spielleitung viele Tipps und Ideen zum Erstellen eines eigenen Szenarios oder „Mysterys“, bevor ein bereits ausgearbeitetes „Mystery“ zur Verfügung gestellt wird.

Charaktererschaffung

Für die Erschaffung eines Charakters stehen zehn Archetypen zur Verfügung. Für die Erschaffung eines Charakters stehen zehn Archetypen zur Verfügung. Diese bilden die Basis des Charakters, auf der alles andere aufbaut. Als Beispiele seien „Doctor“, „Priest“, „Servant“ und „Vagabond“ genannt. Als nächstes wählt man das Alter und den Namen des Charakters. Danach folgt das Verteilen der verfügbaren Punkte auf die Attribute und die Fertigkeiten. Jedem Archetyp sind ein Hauptattribut und eine Hauptfertigkeit zugeordnet. Auf diese können mehr Punkte verteilt werden, als es für die anderen Attribute und Fertigkeiten erlaubt ist. Je nach gewähltem Alter variiert die Anzahl an Punkten, die man verteilen kann. Als nächstes wählt man ein Talent, das man auch „Vorteil“ nennen könnte. Hierzu nimmt man eines aus drei Talenten, die spezifisch dem zuvor gewählten Archetypen zugeordnet sind. Im Verlauf des Spiels hat man jedoch die Möglichkeit, aus allen Talenten, sowie aus allgemeinen Talenten zusätzliche zu wählen.

Danach sucht man sich eine passende Motivation für den Charakter aus, sowie das Trauma, durch das er oder sie die Fähigkeit erhalten hat, Vaesen zu sehen, und ein dunkles Geheimnis, das ihn oder sie irgendwann einholen wird. Schließlich wird noch das Verhältnis zu den anderen Charakteren festgelegt. Für diese vier Punkte bietet jeder Archetyp Beispiele, man kann sich aber auch selbst etwas ausdenken. Zum Schluss wählt man noch die Ausrüstung, die abhängig vom Archetyp ist, und ein sogenanntes Memento. Dieses kann ausgewählt oder gewürfelt werden und stellt einen Gegenstand dar, den der Charakter bei sich trägt und etwas mit seinem oder ihrem Hintergrund zu tun hat.

Viele Punkte der Charaktererschaffung zielen darauf ab, den Hintergrund des Charakters so lebendig wie möglich zu gestalten. Das reine Erstellen nimmt sehr wenig Zeit in Anspruch. Welche Ausmaße der Feinschliff des Hintergrundes annimmt, ist den Spieler*innen überlassen.

Erscheinungsbild

Das Highlight des Buches sind die vielen hochwertigen Illustrationen. Das Leinencover des Buches ziert ein düsteres Bild, auf dem ein Mann mit Pistole und Laterne vor einem großen Stein mit Symbolen steht. Hinter dem Stein schaut ein großes, monströses Vaesen hervor. Eine Konfrontation scheint unvermeidlich. Der Titel Vaesen ist in gelblicher Schrift zu lesen. Das Papier ist dick und wirkt sehr hochwertig. Es ist nicht zu weiß, sodass man die schwarze Schrift in angenehmer Größe auch bei direktem Sonnenlicht gut lesen kann. Der Text ist in meist kleine Teile mit eigenen Überschriften gegliedert, was das Auffinden von bestimmten Informationen erleichtert. Aufgelockert wird der Text durch Tabellen, Anmerkungen und kleine Zusammenfassungen. Ebenso sind immer wieder Texte eingestreut, die Stimmung erzeugen, wie etwa kurze traditionelle Lieder, Geschichten oder Sprüche, die mit Vaesen zu tun haben.

Das Buch ist in elf übersichtliche Kapitel aufgeteilt. Am Ende befinden sich ein Index und ein Charakterblatt sowie ein Hauptquartierblatt, die kopiert, ausgedruckt und ausgefüllt werden können.

Das Highlight des Buches sind die vielen hochwertigen Illustrationen von Johan Egerkrans, auf denen dieses Buch basiert. Es sind sowohl detailreiche farbige Zeichnungen als auch Skizzen in einem Sepia-Ton zu finden. Jedes Vaesen und jeder Archetyp besitzt ein eigenes, farbiges Bild und passt perfekt zur düsteren Stimmung, die der Text von der Spielwelt vermittelt.

Bonus/Downloadcontent

Zu den weiteren erwerbbaren Produkten gehören sechs Würfel, ein Spielleiterschirm sowie diverse Karten. Abgesehen vom Grundregelwerk kann man weitere Produkte erstehen, die das Erlebnis von Vaesen erweitern können, aber sie sind nicht notwendig für das Spiel. Dazu gehören sechs Würfel in einem speziellen Design, ein Spielleiterschirm mit zusammengefassten Regeln und ein Kartenset mit Bildern und Texten zu den Vaesen und weiteren Karten zum Bestimmen der Initiative. Jedes Produkt kann einzeln gekauft oder alles zusammen – inklusive Grundregelwerk – in einem Bundle erstanden werden.

Kostenlos werden Downloads für das Charakterblatt, das Hauptquartierblatt, eine Karte von Skandinavien und Uppsala, sowie die Handouts von zwei Mysterys zur Verfügung gestellt.

Fazit Vaesen setzt auf eine Atmosphäre, die sowohl von der Spielleitung als auch den Spieler*innen geschaffen wird. Ein lebendiges Rollenspiel steht eindeutig im Vordergrund, das Würfeln ist zweitrangig. Die Gruppe wird dabei in ein mythisches und alternatives Skandinavien des neunzehnten Jahrhunderts geführt. Das Grundregelwerk bietet dabei alles, was man zum Spielen dieses neuen Rollenspielsystems benötigt und noch mehr.

Das Regelsystem ist so verfasst, dass sich auch Rollenspielneulinge einfinden können.

Die Regeln sind in kleineren, übersichtlichen Abschnitten verpackt und es wird stets darauf verwiesen, wenn eine erwähnte Regel erst in einem der nächsten Kapitel genauer beschrieben wird. An manchen Stellen werden Regeln sogar erneut erklärt, wenn sie in einem späteren Kapitel noch einmal von Bedeutung sind, um unnötiges Blättern zu vermeiden. Lediglich die Kampfregeln wirken nach dem Lesen etwas zu komplex, aber ein endgültiges Urteil darüber lässt sich erst nach einem Spieltest fällen.

Das Setting mag mit Skandinavien zwar stark begrenzt sein, dennoch wird man stets ermutigt, eigene Wege zu gehen – sei es, indem man sich neue Settings, Vaesen oder Orte ausdenkt. Auch wenn Vaesen auf Skandinavien angepasst ist, so ist es dennoch möglich, sich mit diesem Regelsystem in andere Teile der Welt zu wagen. Selbst das Spielen in einer anderen Zeit ist denkbar.

Vaesen überzeugt auf vielen Ebenen und da das Grundregelwerk viel Raum für Individualisierung lässt, kann sich sicherlich jede Gruppe eine Spielwelt gestalten, die allen zusagt und Spaß macht.

Dieser Ersteindruck basiert auf dem Lesen der englischsprachigen Erstausgabe des Grundregelwerkes und dem Erstellen eines Charakters. Ein Spieltest ist in etwa zwei Monaten vorgesehen.



Wertung:
[4 von 5 Sternen!]
Vaesen - Nordic Horror Roleplaying
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APOCTHULHU RPG Core Rules
Verlag: Cthulhu Reborn
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 09/22/2020 02:26:58

https://www.teilzeithelden.de/2020/09/22/ersteindruck-apocthulhu-cthulhu-reborn-die-sterne-standen-richtig/

Der Weltuntergang hat stattgefunden, schlimmer kann es nicht mehr kommen? Nun ja – in Apocthulhu müssen Charaktere sich in einer postapokalyptischen Misere zurechtfinden, in der es von Wesen aus H.P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos nur so wimmelt. Dementsprechend kniffelig ist es, darin Leben und geistige Gesundheit zu behalten.

Seit Jahrzehnten bekämpfen Rollenspielende als furchtlose Investigator*innen die Alten Götter und andere Wesenheiten des Cthulhu-Mythos, nicht selten, um eine Apocalypse-by-Elder-God zu verhindern. Doch was, wenn sie scheitern? Apocthulhu beschäftigt sich mit dem Leben nach dem Weltuntergang und bietet Inspirationen für diverse postapokalyptische Schreckensszenarien.

Die Spielwelt: Choose Your Own Apocalypse Etliche Geschichten aus H.P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos handeln von düsteren Prophezeiungen, in denen mächtige Wesen, die nicht von unserer Welt stammen, und allerlei andere mystische Schrecken die menschliche Zivilisation zu unterwerfen oder gar ganz auszulöschen drohen. In Apocthulhu hat genau das schon stattgefunden. Wir befinden uns in einem post-apokalyptischen Szenario. Was genau aber passiert ist, wie lange es her ist und wie die Spielwelt im Detail aussieht, ist den Spielenden beziehungsweise der jeweiligen Spielleitung selbst überlassen: Hat der König in Gelb die Macht übernommen oder Nyarlathotep das ewige Chaos entfesselt? Ist gar Cthulhu selbst in R’lyeh aus seinem Äonenschlummer erwacht?

Das kann frei nach Geschmack entschieden werden und lässt sich gegebenenfalls sogar in eine bestehende Kampagne einbauen – schließlich ist das Scheitern einer Gruppe heldenhafter Investigator*innen im Kampf gegen das drohende Weltenende bei Cthulhu stets möglich. Dementsprechend steht es auch frei, wann dieses stattgefunden hat – zum Beispiel in den 1890ern, den 1920ern oder der (nahen) Zukunft des 21. Jahrhunderts.

Die Autor*innen bieten gleich acht verschiedene mögliche Apokalypsen zur Auswahl bzw. als Inspiration an. In der ersten ist das Zeitalter der Menschen schlichtweg vorbei gegangen. Die Sterne standen richtig für die Rückkehr der Großen Alten und versunkene Städte tauchten aus den Ozeanen und der Erde auf. Außerirdische Monstrositäten bevölkern nun die Erde und terrorisieren die Menschheit, die sich damit abfinden muss, ziemlich weit hinten in der Nahrungskette zu stehen.

Andere Vorschläge beinhalten eine Welt nach dem durch den Einfluss Nyarlathoteps ausgelösten globalen Atomkrieg, die Flucht Älterer Wesen aus ihrem eisigen Gefängnis in der Antarktis, die daraufhin die Erde unterwerfen, lebendiges Feuer und die Nachkommen von Yog-Sothoth. Jedes dieser Szenarien ist kurz, aber umfassend beschrieben und enthält eine oder mehrere ausgearbeitete Monstrositäten als Gegner sowie Mythos-„Bücher“ (die manchmal auch in Form von Filmen, Handschriften oder ähnlichen Informationsträgern vorliegen), aus denen hilfreiche, aber die geistige Stabilität bedrohende Rituale gelernt werden können.

Zusätzlich bietet das Grundregelwerk ein komplettes Quellenbuch zu William Hope Hodgsons Roman The Night Land. Das Quellenbuch von Kevin Ross beschreibt eine postapokalyptische Welt in der fernen Zukunft. Hinzu kommen zwei vorgefertigte Abenteuerszenarien, von denen eines in einem der vorher beschriebenen acht Settings angesetzt ist, das andere im England des frühen 20. Jahrhunderts nach einer Apokalypse im viktorianischen Zeitalter.

Allerdings ist niemand gezwungen, eine der vorgestellten Apokalypsen als Handlungshintergrund zu wählen. Wichtig ist für Apochtulhu-Szenarien nur, dass irgendeine vom Mythos inspirierte Katastrophe die Welt verwüstet und das Leben darauf für immer verändert hat. Wesen aus Lovecrafts Geschichten und den von ihnen inspirierten Rollenspielen durchstreifen die Welt auf der Suche nach Beute. Für diesen Zweck hat das Regelwerk einen ganzen Abschnitt, um weitere Monster aus anderen auf dem Cthulhu-Mythos basierten Rollenspielsystemen wie Trail of Cthulhu, Delta Green sowie einem derzeit noch unveröffenlichten, auf W100 basierten Open Cthulhu SRD auf Apocthulhu anzupassen.

Gemeinsam soll den Szenarien außerdem sein, dass Technologie, wie sie zum Zeitpunkt direkt vor der Apokalypse üblich war, für spielbare Charaktere so leicht nicht mehr zugänglich ist – sei es, weil sie zerstört wurde, weil das Wissen um ihre Instandhaltung verloren ging oder weil einige wenige Mächtige ihren Daumen auf die knappen Ressourcen halten. Die kreative Verwertung von Altmaterial, verzweifeltes Schachern um Gegenstände, die wir heute vielleicht als selbstverständlich erachten, und die ständige Sorge um die eigene Existenz sollten nach der Vorstellung der Autor*innen ein Apocthulhu-Szenario prägen.

Ebenso kann die Spielleitung Würfelmalusse auf Fertigkeiten vergeben, die mit Gegenständen oder Materialien in schlechtem Zustand abhängen. Von Konstitutionswürfen bei Verzehr verdorbener Nahrungsmittel ganz zu schweigen. Kurz gesagt: Das Leben ist hart.

Wie hart es genau ist, soll am Anfang von der Spielleitung festgelegt werden. Die Stufen sind „Normal(ish)“, also „(ungefähr) Normal“, „Hard“, „Very Hard“ und „Nightmarish“, zu Deutsch etwa „Grauenhaft“. Die härteren Szenariostufen gehen jeweils mit Anpassungen an die geistige Stabilität der Charaktere einher, aber auch ihrer körperlichen Attribute und einiger Fertigkeiten, die das bisherige Überleben des Charakters in einer solchen Welt überhaupt erst möglich gemacht haben.

In einem „Grauenhaften“ Szenario wären die SC also durch ihre bisherigen Erfahrungen körperlich abgehärtet und in mehreren Schlüsselfähigkeiten wie z. B. „Survival“ geübt, allerdings auch durch das Leben in dieser Misere schon psychisch angeschlagen, während in einem „Normalen“ Szenario keine Anpassungen vorgenommen werden. Die jeweilige Härte dürfte sich ziemlich stark auf die Überlebenschancen der bespielten Charaktere auswirken, denn wie in vielen anderen Cthulhu-inspirierten Rollenspielen gilt auch hier: Sobald die geistige Stabilität unter einen kritischen Punkt sinkt, geht es eigentlich nur noch abwärts und der Wahnsinn wartet hinter jeder Ecke.

Die Regeln

Apocthulhu ist ein alleinstehendes Rollenspielsystem, das von einem Autor*innenkollektiv um Dean Engelhardt und Jo Kreil unter der „Open Game License“ (OGL) von Wizards of the Coast veröffentlicht wurde. Es gehört nicht dem offiziellen Kanon von Cthulhu an. Dennoch müssen Fans diverser Editionen von Cthulhu sich nicht komplett umstellen und werden die meisten Regeln wiedererkennen.

Wie bei vielen Cthulhu-Rollenspielen handelt es sich auch bei dieser Variante um ein Prozentsystem. Das bedeutet, gewürfelt wird mit W100 (d. h. je einem zehnseitigen Würfel für die 10er und die 1er-Stelle) gegen den Fertigkeitswert des Charakters, welcher unterboten werden muss. Eine 01 sowie jede Zahl, die sowohl niedriger ist als der Fertigkeitswert als auch eine Dopplung von Zehner- und Einerstelle darstellt (also 11, 22, 33 usw.), gilt als kritischer Erfolg, was mit positiven Spezialeffekten belohnt wird wie z. B. doppeltem Schaden im Kampf. Eine 100 sowie Doppelungszahlen oberhalb der Fertigkeitswertes gelten als Patzer und haben stets negative Konsequenzen. In Einzelfällen fordern die Umstände auch einen sogenannten Glückswurf, der gegen einen Wert von 50 % abgelegt wird.

In Kämpfen würfeln beide Seiten, wobei derdie Angreiferin nicht nur den eigenen Fertigkeitswert, sondern auch den Wurf der Gegenseite unterwürfeln muss. Das Regelwerk bietet eine Reihe von hilfreichen Tabellen zu Waffenboni und anderen Faktoren, die Kämpfe und andere Würfe beeinflussen können. Dazu gibt es ein ganzes Unterkapitel, das sich mit dem Erhalt und Verlust von geistiger Stabilität – und den daraus resultierenden Konsequenzen – beschäftigt. Allgemein erinnern die Regeln stark an vorangegangene Cthulhu-Systeme, jedoch in leicht vereinfachter Form. Viele Elemente der Charakterentwicklung – etwa die Ausprägung neuer Geistesstörungen oder das Lernen von Ritualen in der Down-Time – werden durch eine Kombination aus Würfeln und Rollenspiel ausgespielt.

Etwas ungewöhnlich für die meisten Cthulhu-Rollenspiele ist die Möglichkeit, Tests auch ohne Würfelwurf zu bestehen, wenn etwa das Fertigkeitslevel eines Charakters entsprechend höher als die Schwierigkeitsstufe der Aufgabe ist. Allerdings gilt immer noch: Wenn die Situation unberechenbar ist oder ein nicht bestandener Test schwerwiegende Konsequenzen hat, muss gewürfelt werden. Die Charaktere sind also nur einen Hauch weniger stark dem Schicksal ausgeliefert als sonst bei Cthulhu üblich. Es handelt sich hier nicht um ein narratives System, in dem mit gewagten Aktionen ein schlechter Würfelwurf ausgeglichen werden kann und echte Held*innen in letzter Minute gerettet werden. Pech und übermächtige Gegner können hier immer noch den Untergang einer Gruppe bedeuten. Die Spielleitung ist angehalten, die mystischen Schrecken des Mythos nicht als Boss-Monster zu behandeln, die es zu besiegen gilt. Und selbst, wenn die Gruppe sich ein kleineres Ziel ausgesucht hat, gilt: Fällt ein Charakter auf 0 Punkte körperlicher oder geistiger Gesundheit, ist er oder sie tot oder dauerhaft wahnsinnig und damit aus dem Spiel.

Das Grundregelwerk spart sich eine langatmige Einleitung in die Grundlagen dessen, was Rollenspiel überhaupt ist, und verweist stattdessen – zeitgemäß – auf entsprechende Youtube-Kanäle und andere Online-Ressourcen. Dies verstärkt den Eindruck, dass die eigentliche Zielgruppe von Apocthulhu aus Menschen besteht, die schon Erfahrungen in anderen vom Cthulhu-Mythos inspirierten Rollenspielsystemen haben.

Charaktererschaffung

Auch die Charaktererschaffung in Apocthulhu wird denen, die schon Erfahrung mit dem „klassischen“ Cthulhu-System gemacht haben, bekannt vorkommen. Es gibt die Möglichkeit, entweder Punkte auf die Attribute zu verteilen oder den Wert auszuwürfeln. Die Attribute sind Stärke, Konstitution, Geschicklichkeit, Charisma und „Power“, was in etwa Willens- und Persönlichkeitsstärke bedeutet. Aus letzterem Attribut errechnet sich der Startwert der geistigen Stabilität des Charakters vor der Anpassung durch die Härte der Umgebung. Wer seine Attribute auswürfeln möchte, würfelt je 4W6, lässt den niedrigsten Wert weg und zählt die restlichen zusammen. Wer seine Werte lieber selbst aussucht, bekommt 72 Punkte, um sie 1:1 auf die Attribute zu verteilen. Damit ergeben sich Attributswerte zwischen 3 und 18, wobei man einem Charakter mit zu vielen niedrigen Werten keine großen Überlebenschancen zutrauen sollte.

Die Fertigkeiten errechnen sich aus dem „Archetyp“, also etwa dem Beruf des Charakters. Natürlich besitzt die Postapokalypse keine großartigen Möglichkeiten zur beruflichen Weiterbildung, aber die Umstände des Überlebens eines Charakters begünstigen das Erlernen mancher Fertigkeiten mehr als das anderer. Neben den Fertigkeiten bestimmt der Archetyp auch die Ressourcen des Charakters sowie wie viele Freundschaften und wie viel Rückhalt er in seinem sozialen Umfeld hat.

Erscheinungsbild Der schwarz auf weiß gehaltene Fließtext ist gut zu lesen, umrahmt von einem zerrissen wirkenden dunklen Rand, der die Stimmung schön unterstreicht. Die Illustrationen, die den Text immer wieder auflockern, zeigen oft einsame Überlebende, die sich extraterrestrischen Schrecken stellen und durch verwüstete Landschaften stapfen. Die meisten Illustrationen sind wiederverwendete, gemeinfreie oder zur Wiederverwendung lizensierte Bilder, dazu kommen originale Schwarzweiß-Zeichnungen von Reuben Dodd und Anna Helena Szymborska.

Das PDF hat ein verlinktes Inhaltsverzeichnis, auch Querverweise im Fließtext sind verlinkt.

Bonus/Downloadcontent Zum Grundregelwerk werden zwei PDF-Dokumente mit Materialien für die vorgeschlagenen Abenteuer geliefert, die die Spielleitung zum passenden Zeitpunkt an Gruppenmitglieder austeilen soll. Weitere Inspirationen und Hintergrundinformationen können Interessierte auf dem Blog der Autor*innen www.cthulhureborn.com finden.

Fazit Das Ende ist nahe! Und es kann auf die unterschiedlichsten Arten und Weisen kommen, ganz nach Geschmack der weltuntergangswilligen Spielleitung. Das Grundregelwerk zu Apocthulhu bietet ein wahres Büffet des Horrors, aus dem man sich die unterschiedlichsten Szenarien der Postapokalypse aussuchen kann, mit vielen hilfreichen Richtlinien, um eigene Gegner und Geschichten zu erstellen. Die Regeln basieren auf 100er-Würfeln und lassen sich grob als eine leicht vereinfachte und angepasste Version älterer Editionen von Cthulhu beschreiben.

Sicher verändert sich das Gefühl des Grauens gegenüber anderen Cthulhu-Spielen, schlicht, weil der Weltuntergang schon stattgefunden hat und nicht mehr wie ein Damoklesschwert über der Gruppe hängt. Es herrscht also eine leicht andere Stimmung. Als Zielgruppe eignen sich vor allem Fans von H.P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos, die in der düsteren Welt, die Lovecrafts Geschichten und die daraus hervorgegangenen Rollenspiele beschreiben, „mal etwas anderes“ machen wollen. Trotz detaillierter Regelbeschreibung werden totale Neulinge im Mythos dadurch vielleicht eher verwirrt sein, während Puristen mit dem Leben und Überleben in der Postapokalypse gegebenenfalls auch nicht viel anfangen können.

Wer sich aber immer schon einmal überlegt hat, was passiert, wenn Cthulhu-Spieler*innen mit ihren Versuchen, das unausweichlich Scheinende abzuwehren, scheitern, ist hier an der richtigen Adresse.

Dieser Ersteindruck basiert auf dem ersten Lesen des Grundegelwerks und Erstellung eines Charakters. Ein Spieltest ist geplant.



Wertung:
[4 von 5 Sternen!]
APOCTHULHU RPG Core Rules
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Shadowrun: Feuer frei
Verlag: Pegasus Press
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 09/19/2020 15:45:37

https://www.teilzeithelden.de/2020/08/24/ersteindruck-shadowrun-feuer-frei-von-waffen-gewalt-und-waffengewalt/

Feuer frei ist die erste Regelerweiterung von Shadowrun 6 und in etwa vergleichbar mit dem Kreuzfeuer der vorangegangenen Edition. Alles in diesem Buch soll Chummern helfen, anderen das Fressbrett neu zu gestalten: Waffen, Modifikationen, Kampftechniken, Vor- und Nachteile. Zusätzlich widmet sich das Regelwerk ausführlich dem Thema Gewalt und ihrer Konsequenzen.

Inhalt In der Tradition der Arsenale aus der 3. und 4. Edition bzw. dem Kreuzfeuer (Run & Gun, nicht Fields of Fire) der 5. werden die Grundregeln der 6. Edition ebenfalls früh durch Waffen und andere Dinge ergänzt, mit denen man verheerenden Schaden an potenziellen Gegnern verursachen kann. Hinzu kommen taktische Elemente und Edge-Handlungen, aber auch neue Status. Ein umfangreicher Bereich beschäftigt sich mit Gewalt, wie und wann man sie anwendet und welche Folgen sie haben kann. Ein Überblick über einige kampfbereite Parteien (und damit verbundenen NSC) im Shadowrun-Universum bildet den Abschluss, der durch eine Tabellensammlung abgerundet wird.

Waffenregal Auf den ersten Seiten findet sich das eigentliche Arsenal: Waffen über Waffen füllen mehr als 35 Seiten. Hier gibt es Nahkampfwaffen wie das von Gurkhas getragene Kukri oder den taktischen Hammer, der in jeder Verkleidungskiste für vermeintliche Handwerker*innen willkommen sein sollte, wenn es heißt: „Wir sind das Service-Team und müssen dringend etwas reparieren.“ Auch Schusswaffen jeglicher Fasson sind hier zu finden.

Die Waffenauswahl ist groß: Es gibt Nahkampfwaffen wie den Taktischen Hammer, …… schwere Pistolen (hier die HK P60 Tactical) … … oder Schrotflinten (hier die Defiance T-285). Es wurde sich zwar Mühe gegeben, Unterschiede herauszuarbeiten und mit sehr gelungenen Beschreibungstexten jeder Waffe eine besondere Einzigartigkeit zu verleihen, doch die wichtigsten Unterschiede bleiben der Schaden und die Angriffswerte. Die Spanne dieser Werte ist gerade im Schadensbereich aber eher gering und nicht immer nachzuvollziehen.

Auch größere und besondere Waffen wie die Ares Scylla gibt es, doch manche Klassiker fehlen.Reichen solche Unterschiede zwischen Waffen einer Kategorie, um die Waffenwahl wirklich interessant zu machen? Karabiner werden als optionale Waffenklasse eingeführt, die klassische Vindicator ist hingegen nicht vertreten. Dafür gibt es witzige Waffen wie die Ares Scylla, mit der man Blitze verschießen und Gegner grillen kann. Auch als Kommlink getarnte Waffen oder Schmuck, der Licht mit Blendgranatenwirkung abstrahlen kann, gibt es. Die Liste ist noch um vieles erweiterbar, und selbst, wenn die blanken Zahlen nicht überzeugen, macht die Vielfalt der Waffen Lust darauf, sie in den verschiedensten Situationen einzusetzen.

Waffenanpassungen Waffen können mit Zubehör oder mit Modifikationen angepasst werden. Zubehöre werden an Halterungen angebracht, Modifikationen verbrauchen Slots. Es gibt Schulterstützen und Metamenschen-Anpassungen, man fügt Griffe hinzu oder verändert Beschichtungen. Waffenfans werden ihre helle Freude daran haben, ihre Waffen so individuell wie möglich zu gestalten. Die Waffe von der Stange im Hosenbund ist eben etwas anderes als die rutheniumbeschichtete Ares Predator VI mit Lasermarkierer, die im Schnellzieh-Tarnholster steckt, oder das Scharfschützengewehr mit ausgebautem Abzug und biometrischem Waffenschloss.

Waffen können unter anderem durch eine Laufverkürzung angepasst werden.Der Geckogriff ist ein Klassiker und wird sogar vom berühmten Butch genutzt. Eine wichtige Notiz ist, dass das interne Smartgunsystem im Grundregelwerk als Zubehör gelistet wird, aber als Modifikation gehandhabt werden muss. Die Begrifflichkeiten wurden wohl nicht vorausschauend geplant, doch regeltechnisch ergibt das natürlich Sinn, wenn man der Definition im Feuer frei folgt.

Panzerungen Als Gegenpol zu den Waffen gibt es selbstverständlich auch neue Panzerungen und – vielleicht viel wichtiger – eine neue Regel für diese. Vorweg sollte jedem klar sein, dass Panzerungen keinen Würfelpool zum Abbau von Schaden mehr geben, sondern lediglich den Verteidigungswert verändern, der dann mit dem Angriffswert der Gegenpartei zur Edge-Generierung verglichen wird. Je nach Spielstil kann es also sogar nützlich sein, ohne oder zumindest mit sehr wenig Panzerung auf einen Job zu gehen und diese nur der Kapazität wegen zu nutzen.

Die Ares „Bug Stomper“ MK II ist eine einschüchternde Panzerung und wurde für den Kampf gegen Insektengeister entwickelt.Reaktive Panzerung könnte massive Auswirkungen auf das Gameplay haben. Es gibt einiges neues Zubehör und auch Modifikationen für Panzerungen – teilweise beeinflussen sie dieses System. So kann reaktive Panzerung Schaden absorbieren und hat erst Nachteile, wenn es mehr als ein Schadenspunkt pro Runde ist (Gelweave) oder wird dabei zerstört (reaktive Panzerplatten). Noch besser sind Panzerungen mit dem Merkmal „schadenssenkend“, die genau das tun: Sie senken den eingehenden Schaden um den entsprechenden Wert. Ohne Probe. Sogar manablockende Panzerung ist möglich! Diese Modifikationen könnten Gamechanger sein.

Durch den Sozialwert wird modische Panzerung besonders interessant. Eine weitere Neuerung ist der Sozialwertmodifikator, der den Panzerungen in Feuer frei verliehen wurde. Der neue Sozialwert ist eine Art Angriffs- und Verteidigungswert bei Sozialproben, ergibt sich aus dem Charisma-Attribut und dem Sozialwertmodifikator der Panzerung und ist für die Edge-Berechnung relevant. Je weiter im negativen Bereich der Sozialwertmodifikator ist, desto bedrohlicher die Panzerung, was bei Einschüchterungsversuchen gut und bei allen anderen sozialen Konflikten von Nachteil ist. Im positiven Bereich verhält es sich andersherum. So lohnt sich das schöne Kleid auf dem Ball und verhilft zu mehr Edge beim Verführen, während der Chummer in gehärteter Militärpanzerung eine selbstverständliche Bedrohlichkeit ausstrahlt. Ob es einen weiteren Vergleich von Werten im System benötigt, muss man selbst entscheiden.

Das 1×1 der Taktik Die Fertigkeit „Taktiken kleine Einheiten“ ist ein Klassiker für Ex- oder Para-Militärs, ehemalige Polizistinnen oder Charaktere mit sonstigen Ausbildungen, die in diese Bereiche passen. Die Umsetzung dieses Wissens ist jedoch oft problematisch. In diesem Kapitel soll Abhilfe für diese Problematik geschaffen und gerade neuen Spielerinnen und auch der SL ein Leitfaden an die Hand gegeben werden, wie man taktische Entscheidungen in Shadowrun fällt.

Mit der richtigen Taktik lassen sich ausweglose Situationen vermeiden.Durch den Einsatz von „Taktik kleiner Einheiten“ können gemeinsame Kampfmanöver ausgeführt werden. Die Wissensfertigkeit hat nun auch regeltechnisch klare Auswirkungen und kann gezielt eingesetzt werden, indem man sich auf Kampfmanöver einigt und diese als Team umsetzt. Flankenmanöver oder ein gemeinsamer Rückzug werden so zur Teamaufgabe. Wenn die Umsetzung klappt, erreicht man ein höchst professionelles Vorgehen, was sicher Freude an den Spieltisch bringen kann. Zwar wurde auch in Vorgängereditionen Taktik als Element behandelt, in Feuer frei ist dies aber besonders gelungen.

Dieser Eindruck wird durch die mobilen taktischen Netzwerke, die eine Vielzahl an Verbesserungen für das gemeinsame Vorgehen bieten, unterstützt. Runner mit einem Faible für solche koordinativen Gemeinschaftshandlungen kommen voll auf ihre Kosten. Das gesamte Kapitel bietet überraschend viele Möglichkeiten.

Harte Kämpfe Da das Edge-System Kernelement dieser Edition ist, führt Feuer frei auch neue Edge-Handlungen und -Boosts ein. Sie sind dem Wesen des Regelwerkes nach kampforientiert, doch wenn jedes weitere Regelwerk neue Handlungen und Boosts einführt, könnte einen das noch mehr erschlagen, als es das ohnehin schon tut.

Feuer frei führt auch neue Edge-Handlungen ein. Interessanter sind da die Kampfkünste. Auch in Shadowrun 5 wurden diese im Kreuzfeuer eingeführt, und viele Nahkampf-Adeptinnen oder -Sams, sogar Infiltratoren oder Faces, nutzten die Kampfkünste, um der Klopperei etwas mehr Würze oder Finesse zu verleihen. Die Auswahl ist nicht überwältigend, und manche Techniken beziehen sich wieder nur auf den Gewinn von Edge oder die Reduzierung von Kosten der Ressource, aber gerade der Meridianschlag, mit dem man Magierinnen als Adept*in Nettoerfolge für die nächste Magieprobe negieren oder Techniken, mit denen man den neuen Status gelähmt hervorrufen kann, sind es wert, beachtet zu werden.

Die Freuden der Gewalt Wann ist es richtig oder effektiv, mit Gewalt vorzugehen, und wann eher nicht, um als professioneller Runner seinen Job zu erledigen? Wie funktioniert Gewalt eigentlich? Das sind spannende Fragen, die in diesem Kapitel geklärt werden sollen. Dazu kommen passende Ehrenkodizes, wie die aus etlichen Mafiafilmen bekannte Schweigepflicht (Omertà) oder der Kodex der Paladine, einem elfischen Ritterkodex.

Der Kodex der Paladine ist ein Elfenkodex. Auch der Nachteil „Pazifist“ wird wieder eingeführt und das Thema Gewalt mit der Spielmechanik Reputation verknüpft. Das Kapitel ist erneut eine Überraschung und äußerst spannend. Hier kann man viel über Außenwirkung von Runnern lernen oder sich Gedanken dazu machen, wie die Werte und Normen eines Charakters bei Gewaltanwendung sind.

Gewalt und ihre Konsequenzen

Niemand ist vor Traumata gefeit – nicht einmal Runner. Von der „Posttraumatischen Belastungsstörung“ (PTBS) hat jeder schonmal gehört, aber wie viele Runner hatten so etwas schon? Nachdem sich im vorigen Kapitel über den Ursprung und den Sinn von Gewalt Gedanken gemacht wurde, geht es in diesem Teil von Feuer frei um die Folgen dieser. Traumata können jeden treffen, auch Runner. Um festzustellen, ob Runner Folgen erleiden, wird die Resilienzprobe eingeführt. Sollte man bei dieser letztlich scheitern, können Nachwirkungen bestehen bleiben.

Diese Nachwirkungen können sich in einem Nachteil äußern, von denen es einige im Regelwerk gibt, die entweder neu oder angepasst sind. Natürlich können auch Nachteile aus dem Grundregelwerk genutzt werden. Ein besonders brutales Insektengeistmassaker könnte also in einer Insektenphobie enden oder zwanghaftes Verhalten hervorrufen.

Eine weitere Möglichkeit zur Charakterentwicklung sind die emotionalen Pfade. So kann der Bruch eines Kodexes einen auf diese Pfade führen, oder der Weg zum inneren Gleichgewicht, Zen, ist eine Bewältigungsstrategie. Teils können diese Wege während der Erstellung gewählt werden. Sie geben Profil und sind eine Hilfestellung, grundsätzlich aber nichts Neues, sondern in eine unterstützende Form gegossene Charakterentwicklung.

Kämpfende Truppen

NSC der allseits bekannten und „beliebten“ Seattler Straßengang Halloweeners finden sich neben anderen so genannten kämpfenden Truppen im Buch. Den Abschluss des Regelwerkes bilden nützliche NSC für die SL, die sich in meinen Runden, in der der Abenteuerband 30 Nächte und 3 Tage gespielt wird, bereits als nützlich erwiesen haben, und die übliche Sammlung der im Buch enthaltenen Tabellen.

Erscheinungsbild Die Regelwerke der sechsten Edition sind in einem hellen grau-blau gehalten, was auch für Feuer frei gilt. Das Titelbild von Benjamin Giletti zeigt einen Schusswechsel in einer Stadt, im Vordergrund steht ein mit einem Schwert und einer Schnellfeuerwaffe bewaffneter, vercyberter und gepanzerter Mensch, dahinter eine leicht bekleidete Orkin mit Sonnenbrille und zwei Pistolen. Drohnen fliegen umher und Schüsse sind angedeutet. Im Hintergrund prangt auf einem Gebäude das Logo von Ares, einem Triple-A-Konzern, der für seine Waffenherstellung bekannt ist.

Der Stil des Covers ist ansprechend, die Farbgebung vielleicht etwas zurückhaltend. Die Struktur im Buch ist sehr durchdacht, und im wichtigen Waffen- und Panzerungsbereich sind viele Illustrationen zu finden. Das Inhaltsverzeichnis trägt maßgeblich zur Übersichtlichkeit bei, leider gibt es wie gewöhnlich keinen Index. Dort, wo weniger Bilder zu finden sind, wurde mit Kästen und Zwischenüberschriften gearbeitet, sodass sich Feuer frei durchweg angenehm liest.

Fazit In Feuer frei für die sechste Edition von Shadowrun geht es rund um Gewalt: Waffengewalt, körperliche Gewalt, Gewalt und ihre Folgen. Wer ähnliche Werke aus den anderen Editionen Shadowruns kennt, konnte sich den Inhalt also mit viel Feuerkraft ausmalen. Das Versprechen erfüllt das Regelwerk in vollem Umfang. Es gibt viele Nahkampf- und Schusswaffen sowie Panzerung zur Verteidigung gegen diese. Dazu kommt eine Vielzahl an Zubehör und Modifikationen. Wenn man lange genug bastelt, können die Waffen von den Werten her auch maßgeblich unterschiedlich aussehen. Ohne Mods liegen sie doch nah beieinander.

Was die Waffen besonders macht, sind die Beschreibungstexte. Einige Regeländerungen bzw. -optionen sind auch vertreten: soziale Werte für Panzerungen, um Edge in Sozialkonflikten zu berechnen, eine starke Veränderung des Kampfes durch die Möglichkeit zur Schadensabsorption mit Panzerungsmodifikationen, neue Edge-Handlungen und -Boosts. Noch mehr Regelwust und Edge-Geschiebe, doch bedient es natürlich die Kernelemente des Systems.

Um ein Vielfaches spannender ist die Umsetzung der altbekannten Wissensfertigkeit „Taktiken kleiner Einheiten“, die ein gemeinschaftliches und professionelles Vorgehen ermöglicht. Dazu gesellen sich die besten Kapitel des Regelwerkes, in denen es um das Wesen von Gewalt und ihrer Auswirkungen geht. Die Beleuchtung dieser Aspekte, gemeinsam mit Vor- und Nachteilen und einer Einbindung in das Reputationssystem sind die rollenspielerischen Stärken von Feuer frei.

Der Preis von knapp 20 Euro ist typischerweise unschlagbar. Die vielen Waffenbilder machen natürlich Lust darauf, sich die perfekte Knarre zusammenzuschustern und dann damit jemandem den Kopf einzuschlagen, was durch die Kampftechniken möglich wird. Die NSC sind eine nützliche SL-Ressource. Zusammen mit der rollenspielerischen Tiefe der überraschenden Kapitel lohnt sich die Anschaffung auf alle Fälle.

Der Ersteindruck basiert auf der Lektüre des Regelwerkes und den Einsatz einiger Elemente in einer bestehenden Shadowrun 6-Runde.



Wertung:
[4 von 5 Sternen!]
Shadowrun: Feuer frei
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Werwolf - Die Apokalypse - W20-Jubiläumsausgabe - Wege des Wandlers (PDF) als Download kaufen
Verlag: Ulisses Spiele
von Roger L. [Häufiger Rezensent]
Hinzugefügt am: 09/19/2020 15:40:08

https://www.teilzeithelden.de/2020/09/12/rezension-werwolf-die-apokalypse-wege-des-wandlers-ulisses-spiele/

Die Garou sind die Krieger Gaias. Sie sind teils Mensch, teils Wolf und teils Geist. Sie sind noch viel mehr als das. Jenseits ihrer wandelbaren Leiber und ihres kriegerischen Wesens ist sich jeder Garou auch der Gunst der Geisterwelt sicher, die ihm im Kampf für Gaia Kraft verleiht.

Mit dem zwanzigjährigen Jubiläum der Welt der Dunkelheit wurden vom jetzigen Lizenzhalter Onyx Path die Jubiläumsbände für die Hauptsysteme der Welt der Dunkelheit herausgegeben.

Vampire: The Masquerade, Werwolf: The Apokalypse, Magus: The Ascension, Changeling: The Dreaming und Wraith: The Oblivion wurden überarbeitet und als umfangreiche Bände neu aufgelegt. Diese werden von der Community V20, W20, M20, C20 genannt. Die Bände sind eine vielseitige Mischung aus klassischen und überarbeiten Regel- und Hintergrundtexten. Im Zuge dieser Neuveröffentlichungen haben die großen Hauptsysteme Vampire, Werewolf und jetzt auch Magus (das Crowdfunding für M20 Technocracy Reloaded ist mittlerweile erfolgreich abgeschlossen) einige neue Hintergrundbücher bekommen. Mitte 2019 hat Ulisses Spiele mittels Crowdfunding einige dieser Hintergrundbände für Werwolf und Vampire erfolgreich finanziert und später herausgebracht.

Das Quellenbuch Wege des Wandlers ist eines dieser neuen Quellenbücher für die W20-Edition. Alle Regeltexte beziehen sich auf diese Edition. Im Buch werden die Werwölfe, oder Garou, wie sie sich selbst nennen, näher beleuchtet. Viele der essenziellen Mechanismen der Garou wie Wahrnehmung, körperliche, geistige und mystische Fähigkeiten, Gaben, Vorzeichen und Riten werden näher erläutert. Des Weiteren wird im Detail erklärt, wie Wolfgeborene und die Nachkommen zweier Garou, die Metis, aufwachsen und ihre Umwelt wahrnehmen.

Glossar: Ahroun: eines der fünf Vorzeichen (siehe dort), dem Vollmond zugeordnet, Krieger Avatarsturm: ein übernatürliches Phänomen im Umbra, das dort Reisende verletzten kann Brut: die Abstammung eines Werwolfes, entweder von Menschen, Wölfen oder anderen Garou Gaben: magische Fähigkeiten der Werwölfe, Geschenke der Geister Riten Gaias: die Erde und die Natur in ihrer Gesamtheit, die Muttergöttin Galliard: eines der fünf Vorzeichen (siehe dort), dem Dreiviertelmond zugeordnet, Mondtänzer Garou: Eigenbezeichnung der Werwölfe Glaswandler: ein Stamm der Garou, der sich an das Leben in der Stadt angepasst hat Gnosis: Geisterenergie, eine spirituelle Verbindung zu Gaia Höllenloch: ein spirituell verderbter Ort in der Geisterwelt Hüterin/Hüter: Titel in einer Septe, leitet die Verteidigung der Septe Lupus: Werwölfe, die von Wölfen geboren werden und in einem Wolfsrudel aufwachsen, manchmal auch Wolfgeborene genannt, auch die Bezeichnung der Wolfsgestalt Meister/in des Geheul: Titel in einer Septe, leitet die Zeremonie des Geheuls Menschling: eine Garou menschlicher Abstammung, auch Bezeichnung für die Menschengestalt Philodox: eines der fünf Vorzeichen (siehe dort), dem Halbmond zugeordnet, Richter und Diplomat Ragabash: eines der fünf Vorzeichen (siehe dort), dem Neumond zugeordnet, Späher und Trickser Rudel: eine kleine Gruppe von Garou, die durch Freundschaft oder gemeinsame Ziele verbunden ist Septe: Gemeinschaft aus Garou und Blutsgeschwistern, meist, aber nicht immer um einen Caern organisiert Stamm: größere soziale Einheit der Garou, hat oft gemeinsame Blutlinien, Gebräuche und Lebensweisen Stille Wanderer: ein Stamm der Garou, der viel auf Wanderschaft ist und dessen Mitglieder sich als Boten und Späher verstehen Tänzer der schwarzen Spirale: ein korrumpierter Stamm der Garou Theurg: eines der fünf Vorzeichen (siehe dort), dem Sichelmond zugeordnet, Seher oder Schamane Todesgürtel: Grenze zwischen der stofflichen Welt und der Welt der Geister, am dichtesten in technikbelasteten Gegenden, am schwächsten in natürlicher Wildnis Totem: ein mit einem Rudel, einer Septe oder einem Stamm verbundener Geist Vorzeichen: Die Mondphase, in der ein Garou geboren wurde und die dessen Persönlichkeit und Verhalten bestimmt. Die Vorzeichen sind Ragabash (Neumond: Trickser, Späher), Theurg (Mondsichel, Seher und Schamane), Philodox (Halbmond, Richter und Diplomat), Galliard (Dreiviertelmond, Mondtänzer), Ahroun (Vollmond, Krieger) Zorn: übernatürliche Wut, die einen Garou im Kampf schneller und zäher machen kann, aber auch zu einer Raserei führen kann

Inhalt Von Geist und Fleisch Es wird darauf eingegangen, wie die Spielleitung die Wahrnehmung der Charaktere hervorheben kann. Dazu werden verschiedene Hilfsmittel wie Duftkerzen, Musik und Bilder aus Büchern und dem Internet vorgeschlagen.

Die Seele des Jägers Im ersten Kapitel geht es um die grundlegenden Fähigkeiten der Garou: um ihren stärkeren Körperbau, ihre Langlebigkeit, die legendäre Selbstheilungskraft, den Urinstinkt und die damit einhergehenden Vor- und Nachteile. Eventuelle Unklarheiten in Sachen Selbstheilung wie abgetrennte Gliedmaßen oder Körperschmuck werden aufgeklärt. Sehr ausführlich wird die charakteristischste Fähigkeit der Werwölfe behandelt: Die Fähigkeit, die Gestalt zu verwandeln. Jede der fünf Gestalten wird mit allen Vor- und Nachteilen erklärt. Auch auf die Teilverwandlungen wird ausführlich eingegangen. Weiter geht es mit der Wahrnehmung der Garou in den verschiedenen Gestalten. Hier steht dem phänomenalen Geruchssinn in der Wolfsgestalt die bessere Sicht- und Farbwahrnehmung der Menschengestalt gegenüber. Zorn und Gnosis werden detailliert beschrieben, einschließlich einer Beschreibung, wie sich das Entfesseln beider Kräfte für den Charakter anfühlt. Abschließend werden ausführlich die Vorzeichen dargelegt und dazu einige beispielhafte Darstellungen der Vorzeichen einiger Stämme hinzugezogen.

Zum Krieger geboren Das Kapitel zu den Metis besteht aus unterschiedlichen Quellen aus der Spielwelt. Ein Metis ist die Frucht eines Bruchs eines der heiligen Gesetze der Garou, welches da sagt, Garou soll sich nicht mit Garou paaren. Damit werden die Metis in die Garougesellschaft hineingeboren, die ihnen gemeinhin mit Verachtung und Spott entgegenkommt.

Der Garou Jeffrey Rudellos vom Stamm der Glaswandler erklärt in seinen Notizen die Zeugung, Schwangerschaft, Geburt, erste Verwandlung und kaputte Kindheit mit vielen düsteren Details. Er schreibt von Metislagern, die gewisse soziale und politische Weltanschauungen der Metis darstellen. Die Haltung jedes einzelnen Stammes, einschließlich der Tänzer der schwarzen Spirale, zu den Metis wird von ihm dargelegt. Kommentiert und ergänzt werden diese Ansichten von Langstreicher, einer Garou vom Stamm der Stillen Wanderer.

In den Notizen kommen auch einige Metis direkt zu Wort und schildern ihre persönlichen Erfahrungen. Im Anschluss werden die Positionen der Metis in der Septe und Beispiele von dem unterschiedlichen Umgang der Septen unter die Lupe genommen. Dabei kommen wieder Mitglieder der ausgewählten Septen zu Wort. Abgeschlossen wird das Kapitel von Ansichten einiger Blutsgeschwister über die Metis und in welchen Vorzeichen sich Metis hervortun.

Unter Wölfen Kommen wir zu einem der interessantesten Kapitel. Es geht um die wolfgeborenen Garou, Lupus genannt. In Form eines Berichtes einer Lupus wird den Lesenden ein hilfreicher Leitfaden gegeben, wie die Spielenden einen Lupuscharakter besser darstellen können. Es wird über Geburt in einem Wolfsrudel, das Heranwachsen, die Ordnung im Rudel und die erste Verwandlung gesprochen. Dabei wird immer wieder herausgestellt, dass es deutliche Unterschiede zwischen Wölfen in Gefangenschaft und Rudeln in der freien Wildnis gibt.

Weiter geht es damit, wie die neuen Lupi sich in die Garougesellschaft integrieren. Dabei wird genau wie bei den Meti die Ansicht der einzelnen Stämme dargestellt. All das wird wieder mit einer Aussage eines Stammesmitglied und der Ansicht der Erzählerin dargelegt. Weiter geht es mit den Positionen in der Septe. Ähnlich wie bei den Metis gibt es hier Positionen in der Septe, die Lupi besser oder schlechter ausfüllen können. Beispielsweise ist eine Lupus Galliard als Meisterin des Geheuls aus naheliegenden Gründen meist besser als ein Menschling. Denn sie muss die Feinheiten des Geheuls nicht erst lernen. Sie ist damit aufgewachsen und beherrscht das Geheul instinktiv. Genauso verhält es sich mit der Position der Hüterin. Eine Lupus Ahroun hat es praktisch im Blut, ihre Septe vor allen Gefahren zu schützen. Auch sind Lupi meist bessere Theurgen, weil sie eine intensivere Beziehung zu ihrer Umwelt haben und damit die Geisterwelt als gegeben hinnehmen. Zusammengefasst haben Lupi eine weniger rasante, aber wesentlich direktere Sicht auf das Leben als andere Garou.

Mehr als eine Familie In diesem Kapitel geht es um das Rudel. Wie ist ein Rudel aufgebaut, welche Rollen spielen die einzelnen Vorzeichen und das Totem? Es werden verschiedene Rudeltypen vorgestellt: beispielsweise Mehrheitsrudel, also Rudel, wo die Mehrheit der Mitglieder aus einem einzelnen Stamm kommen, oder provisorische Rudel, die sich für eine einzelne Aufgabe wie den Angriff auf ein Höllenloch zusammenschließen.

Es folgen drei Beispielrudel, die die Spielleitung als Abenteueraufhänger oder Nichtspielercharaktere dienen können. Weiter geht es mit der Rudelerschaffung in fünf einfachen Schritten als Hilfestellung für Spielleitung und Spielende. Abschließend werden noch einige neue Rudeltaktiken und ein Baukastensystem für eigene Rudeltaktiken vorgestellt.

Geistermagie Anhand von Texten aus der Spielwelt werden Gaben und Riten der Garou beschrieben. Dabei werden die grundlegenden Mechanismen zwischen den Garou und der Geisterwelt beschrieben. Jedes Thema wird mit einer kleinen Geschichte eingeleitet. Am Ende des Kapitels werden einige neue Gaben für jede Brut und jedes Vorzeichen vorgestellt.

Regelteil Der Regelteil des Buches fällt recht kurz aus und ist über die verschiedenen Kapitel verteilt. Es werden neue Metis-Missbildungen, neue Rudeltaktiken und Mechanismen für die Erschaffung eines Rudels vorgestellt. Außerdem gibt es einen Baukasten, der unterstützt, wie man Rudeltaktiken erschafft. Weiterhin gibt es neue Gaben für jede Brut und Vorzeichen sowie neue Riten. An passenden Stellen wurden Kästen mit alternativen Regeln eingeschoben, beispielsweise Gestaltwandel während der Schwangerschaft oder die Auswirkungen des Avatarsturm auf den Todesgürtel.

Erscheinungsbild Das Buch reiht sich mit seiner Erscheinung in die klassischen Werwolfpublikationen ein. Das gesamte Layout mit der rot-blauen Marmorierung und des klassischen „Klauen-Schrifttypen“ für die Überschriften wurde beibehalten. Die Illustrationen sind hauptsächlich vollfarbig, nur einige kleinere sind schwarz-weiß. Das Titelbild und einige ganzseitige Illustrationen wurden wieder von Ron Spencer gestaltet, der schon für die klassische Werwolf-Buchreihe eine ganze Reihe an Illustrationen gezeichnet hat. Der eine oder andere wird seine Illustrationen von älteren Magic-Karten kennen. Es ist erfreulich, dass er wieder für die W20-Edition den Zeichenstift geschwungen hat.

Erwähnenswert ist außerdem der besondere Schreibstil des Buches. Im Großteil des Buches wird im Singular meist das Femininum verwendet. Das heißt, wann immer von einzelnen Garou die Rede ist, wird hauptsächlich die Garou, die Kriegerin oder die Ahroun genannt. Im W20-Grundbuch wird noch das Maskulinum benutzt. Im Fera-Quellenbuch werden dann Femininum und Maskulinum abwechselnd benutzt. Das ist deshalb so herausragend, da im Großteil aller Publikationen das Maskulinum benutzt wird. Noch besser wäre natürlich eine genderneutrale Schreibweise, aber das gestaltet sich im Deutschen noch recht schwierig. So sollte Pen & Paper-Literatur des 21. Jahrhunderts aussehen.

Einen Negativpunkt gibt es dennoch aufzuführen. Im Text sind recht viele lange und umständliche Schachtelsätze, die den Lesefluss doch etwas stören. (Dann musste er den Satz nochmal lesen. Dann musste er den Satz nochmal lesen. Dann musste er den Satz nochmal lesen. Entschuldigt bitte. Dieser Wortwitz aus Eine Reihe betrüblicher Ereignisse drängte sich hier geradezu auf.)

Bonus/Downloadcontent Es ist kein Bonus- oder Downloadcontent enthalten.

Fazit Zusammengefasst ist das Buch eine gute Ergänzung zu den bisherigen Werwolfpublikationen.

Besonders die Kapitel zu den Lupi und Metis sind wichtig für jede Spielleitung und alle Spielenden, die Metis und Lupi detaillierter darstellen wollen. Diese Kapitel waren besonders erhellend und inspirierend. Weiterhin wären Informationen zu den anderen Gestaltwandlern Gaias wünschenswert gewesen, um das Buch zu einem allgemeinen Nachschlagewerk zu den Tierwandlern zu machen. Allerdings können die Informationen auch für die anderen Gestaltwandler abstrahiert werden. Wege des Wandlers ist gut geschrieben und bietet eine Vielzahl an tiefer gehenden Informationen zum Rollenspiel mit Garou. Erklärungen und Ergänzungen zum Hintergrund machen einen großen, neue Regeln nur einen kleinen Teil des Bandes aus.

Allerdings sollte die geneigte Leserschaft mit den Grundlagen von Werwolf: Die Apokalypse vertraut sein, da Wege des Wandlers sehr in die Tiefe geht. Die Lesenden bekommt ein Quellenbuch mit sehr vielen Zusatzinformationen.



Wertung:
[4 von 5 Sternen!]
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